Alles was recht(s) ist

2014 war ja unter anderem das Jahr der plötzlich auftauchenden Bewegungen. Der Islamische Staat zum Beispiel. Der war ganz plötzlich da, gut organisiert, etwas brutal, zugegeben, aber immerhin mit klarer Kante. Jeder, der nicht IS oder ISIS oder sonstwie ist, wird enthauptet. Da weiß man, was man hat.

Oder die Pegida. Aus dem Nichts ist sie entstanden und plötzlich war sie da. Sozusagen im Windschatten des IS, und gegen den ist sie ja, also genauer gesagt gegen die (Achtung!) „Islamisierung des Abendlandes“. Nicht, dass die Mehrheit dieser DemonstrantInnen mit dem Begriff Abendland etwas anfangen könnte und nicht, dass ich das eine (IS) nun mit dem anderen (Pegida) vergleichen wollte. Wirklich nicht, aber eine gewisse Nähe, ja zumindest einseitige Bedingtheit, kann man dem Ganzen ja nicht absprechen.

Abgesehen davon ist die Pegida aber nicht ganz so klare Kante. Auch wenn die 19 Forderungen hie und da etwas Plausibles, teils  eh schon gesetzlich verankertes haben, so scheinen die meisten zumindest diese  Punkte entweder nicht gelesen oder nicht verstanden zu haben, zumindest  dann, wenn man Ihnen zuhört. Nicht zuletzt aber haben es die Forderungen in sich, die schon bei flüchtigem Hinsehen danach riechen, sich bei Bedarf ebenso schnell in Extreme umwandeln zu können. Da wird beispielsweise das Ende des „Gender-Wahns“ gefordert und die (unmenschliche) australische Abschiebebpraxis gelobt. Nein, Danke, Pegida! Und schließlich darf man ruhig, gleich wie viele und welche Forderungen sie haben, beim hören des Namens „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ einen leichten Brechreiz verspüren, ohne als voreingenommen gelten zu müssen.

Pegida also heißen die neuen Weisen, ähh, Weißen aus dem Abendland. Denn die Weihnachtsgeschichte muss nun für die ganzen Pegidaktivisten und -Innen (wandern da auch Feministinnen mit?) wohl umgeschrieben werden. oder lässt sich da eine oder einer etwa noch Myrrhe (schreib’s mal nach, Pegida) von einem Neger andrehen? Und überhaupt war ja auch die ganze Christenfamilie ein Pack von Ein-und Auswanderern. Aber vermutlich ist das ja auch was ganz anderes, denn schließlich „haben wir ja nix gegen Ausländer … aber …“.

Da sind also berechtigte Ängste der Bürger: Dass die Politik sie nicht ernst nimmt. Ich würde es noch etwas anders formulieren, aber im Kern sind wir schon d‘ accord   Natürlich nimmt die Politik die Menschen nicht ernst, denn die Politik nimmt lieber die ernst, die was zu geben haben, genau, die Wirtschaft, das Kapital eben, ohne das ja so ein Staat nicht überleben kann, also dessen Bedienstete mit den oberen Zehntausend.

Das Überleben des Staates ist mittlerweile ja ganz gut gesichert; das seiner Bürger leider noch nicht ganz so optimal, weil sie vor einiger Zeit in die Hartz-IV-Ecke getrieben wurden – natürlich von den Sozialdemokraten. Genau, das sind die, die jetzt dann auch das Streikrecht arbeitgeberfreundlich gestalten wollen (Vermutlich denkt sich die CDU alle paar Jahre:“Mensch, wir müssen wieder mal ein paar soziale Standards wegnehmen, da koalieren wir doch mal mit den Sozen, die können das. Und danach sind sie noch kleiner als zuvor.“)

Die Schlussfolgerung aber, dass unser Abendland deshalb vom Islam bedroht würde, die passt da nicht so ganz. Unser Abendland wird in der Tat seit langem mächtig bedroht, aber die Bedrohung wurde von den meisten gewählt und sitzt warm in deren, also unseren, Parlamenten.

Statt das zu sehen und die Botschaft auch genau dorthin zu richten, werden seltsame Sinnsprüche skandiert und von Bedrohungen gesprochen, Bedrohungen, die einst eher von Pegidas Organisatoren ausgingen. Die nämlich sind bekannt und aktenkundig als Einbrecher und Betrüger. Aber sei’s drum, alles nichts gegen, genau, die Islamisierung des was? achso, des Abendlandes.

Ich sehe schon die Fackelzüge vor mir, geformt durch das müde, machtlose Volk, aber immerhin noch nicht müde genug, den Druck an die weiterzugeben, die noch weniger Macht haben als sie selbst, im Glauben, sie würden gegen eine Regierung demonstrieren, gegen die man durchaus demonstrieren kann, aber in Wirklichkeit Menschen an der Spitze ihrer Märsche stärken, die man keinesfalls stärken sollte und gegen die auch sie am End dann keine Möglichkeiten mehr haben, zu demonstrieren. Denn die Revolutionen, das sollte mittlerweile auch bekannt sein, frisst immer ihre Kinder. Aber so weit sind wir ja noch nicht. noch.

Und da ist er dann endlich wieder erwacht: Der böse Denunziant, dem das Hemd näher ist, als die Jacke und der „ja nichts gegen die hat, aber …“ und vielleicht irgendwann auch wieder unschuldig in die Kameras blinzelt, dass er oder sie davon doch nichts gewusst hätte. Hätten wir in den letzten zwanzig Jahren mal genauer untersucht, wie so ein drittes Reich tatsächlich in Deutschland entstehen konnte, statt uns dieses dämliche Guido-Knopp-Pseudo-Aufgearbeite anzuschauen oder Bruno Ganz‘ Schauspiel zu bewundern, müssten wir nun nicht rätseln, was die Menschen auf die Straße treibt.

Die Gefahr geht nie von denen an der Spitze aus, sondern immer von denen, die mitlaufen. Und davon laufen derzeit einfach wieder zu viele auf der Straße herum, als dass man deshalb Verständnis haben müsste, nur weil ein paar von denen angeblich aus ganz anderen Gründen dort mitlaufen. Jeder weiß, worum es hier geht und das Argument, es nicht gewusst zu haben, sollten wir einfach nicht mehr gelten lassen.

Und was macht die Politik? Sie schwankt umher – die SPD damit beschäftigt, Soziales abzubauen, die AFD damit, Gold zu verkaufen und sich unter die Pegida zu mischen, um Stimmen zu fangen (während der sichtbar alternde Henkel das alles nicht so sieht und sich auf unsere Kosten im EU-Parlament den Hintern wärmt), und die CSU schmettert bekräftigende Parolen von „Ausländermaut“ und „Man spricht Deutsch“ in die Menge, um eben auch ihren Teil vom rechten Kuchen abzugreifen.

Stattdessen sollten Sie auch an die weitaus größere Menge Menschen appellieren, die (noch) nicht in der Pegida-Schlange steht, sich vielleicht stattdessen um jene geforderte Willkommenskultur kümmert, und endlich das tun, wozu sie gewählt und wofür sie bezahlt werden: Erwachsen und selbstständig werden, für wenigstens ein Mindestmaß an Gerechtigkeit sorgen, den Wohlstand an alle zu verteilen, sich um die in Not kümmern, ihren Kopf aus den ganzen Lobbyärschen ziehen in denen sie ganz tief drinstecken und den Menschen zeigen auf welcher Seite sie stehen!

Dann klappt’s auch mit der Pegida.

 

Bild: Mehrere Hände bilden einen Turm © Nelos – Fotolia.com

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