Der vierte Mai

Ein schöner Morgen

Es ist der 04. Mai im Jahre 2015, die Woche hat gerade begonnen, nachdem ein wunderschönes Wochenende zu Ende ging.

Peter sitzt bei einem leichten Frühstück auf seinem Balkon. Montags Morgen Frühstücken, das hätte er vor wenigen Jahren noch nicht gekonnt.  Er war im Management eines großen Konzerns tätig. Auf seiner Ebene ging es täglich um´s nackte überleben.  Sein Job war heiß begehrt und jeder wollte ihn haben – auch wenn er das heute kaum noch begreifen kann, wie es die meisten seiner damaligen Kollegen heute übrigens auch nicht mehr können. Aus jeder Ecke kamen Anfeindungen, Verleumdungen und Beschuldigungen, so dass er die meiste Zeit damit verbringen musste, selbst Netze zu spinnen, in denen seine „Feinde“ sich verheddern sollten. Jeder Mitarbeiter war lästig, störte er ihn doch bei seinen Grabenkämpfen.

Noch zwei Stunden, dann wird er sich auf den Weg machen. Er pflegt zwei Tage die Woche für vier Stunden Menschen in einem Krankenhaus. Gerne würde er das noch häufiger tun, doch diese Plätze sind begehrt. Es gibt nicht mehr viele Krankenhäuser, da hier nur noch Notfälle behandelt werden. Menschen mit chronischen Symptomen treffen sich heutzutage in Gesundheitszentren und auch sie werden nicht mehr über die Maßen in Anspruch genommen.

Vielleicht ist es – so denkt er – aber auch besser so, denn wie sonst sollte er seine vielen anderen Interessen unter einen Hut bringen. Er berät Unternehmen dabei, eine noch mitarbeiterfreundlichere Umgebung zu schaffen, denn Mitarbeiter sind heutzutage nicht so schnell von der Stärke eines Unternehmens zu überzeugen.

Ein gesichertes Einkommen macht aus Arbeit Spaß

Die meisten Menschen beziehen ein garantiertes Grundeinkommen. Seit drei Jahren besteht die Möglichkeit, dies zu tun. Alle Menschen über 16 bekommen 500 EC (earth Current, Erdenwährung) , Menschen über 18 beziehen 1000 EC. Alles was sie darüber hinaus benötigen, können Sie sich verdienen, sei es, dass Sie selbst etwas anbieten oder für ein Unternehmen arbeiten.  Da alle Sozialleistungen durch den EC ersetzt wurden, geschieht alles auf einer selbstständigen Basis. Die meisten Dienstleistungen und Produkte sind erschwinglich, da die wenigsten Menschen das Bedürfnis haben, viel Geld anzuhäufen.  Sie machen Ihre Arbeit aus Spaß und nicht aus Pflicht. Auf seiner Station arbeitet einmal in der Woche sogar ein ehemaliges Vorstandsmitglied seines früheren Unternehmens. Er koordiniert die Einkäufe und verhandelt mit Lieferanten. Wenn Not am Mann ist, dann springt er auch in die Pflege ein. Aus dem gestressten Manager, den er früher erlebt hatte, ist ein zufriedener Verhandlungspartner geworden, der sein Leben liebt.

Ein klärendes Gespräch

Für die Unternehmen hat sich viel verändert und auch Peter wird ein Gespräch mit seinem Koordinator haben. Seine Umgangsweise mit den Mitarbeitern gefällt ihm nicht und er ist nicht der einzige, der hier Kritik übt. Es wird sich wohl einiges ändern müssen, denn niemand arbeitet in einem Unternehmen, in dem grundlegende Umgangsweisen mit seinem Gegenüber nicht gepflegt werden. Zudem kann Peter mühelos in einem ähnlichen Bereich weiter arbeiten. Er hat es – um es deutlich zu sagen – nicht nötig, hier zu arbeiten.

Außerdem merkt er, dass es seiner Gesundheit nicht gut tut. Dies hat er auch mit seinem Life-Assistant besprochen. Ihn konsultierte er, als sich eine Erkältung anfing auszubreiten. Peter konnte gleich einen Bezug zu seinem aufkommenden Unmut herstellen.

Sein Life-Assistant kennt sich auf vielen Gebieten aus und seine Aufgabe ist es, gemeinsam mit seinen Klienten die aktuellen Umstände zu reflektieren. Es geht nicht darum, die Schuld an einer Situation nur bei einem Teil des Konfliktes zu suchen, sondern besonders den eigenen Anteil zu erkennen und zu lösen. So konfrontierte er Peter mit seiner eigenen Unbeweglichkeit und half ihm, einen möglichen Lösungsweg  zu finden, mit der er in das Gespräch mit seinem Vorgesetzten gehen konnte.

Insofern sieht Peter dem Nachmittag gelassen entgegen. Gespräche dieser Art sind selten geworden. Meetings sind eher die Ausnahme, da sich viele Dinge im täglichen Umgang mit den Kollegen und Koordinatoren regeln lassen. „Todo-Listen“, wie es sie früher gab, sind verpönt. Der, der etwas am besten machen kann, tut es, auch wenn bestimmte Verantwortlichkeiten weiterhin an Personen gebunden sind.

Kein Kampf um´s Überleben mehr

„Die Menschen sind ruhiger geworden, seit sie nicht mehr um ihr Überleben kämpfen müssen.“, denkt sich Peter und lässt Bilder aus der Vergangenheit an sich vorbeiziehen. Nahezu 80% aller Menschen arbeiteten mit einer inneren Kündigung und/oder machten Dienst nach Vorschrift. Es ging gar nicht mehr um die Sache, derentwegen ein Unternehmen vorgab, auf dem Markt zu sein. Sicher, Eitelkeiten gibt es heute auch noch zu genüge, doch sie werden an anderer Stelle ausgetragen und nicht mehr in Unternehmen.

Die meisten Menschen mussten Zinsen bezahlen, während die wenigsten an Zinsen verdienten. Obwohl er alles hatte, häufte er immer mehr Dinge an und trotz seines stattlichen Gehaltes wurden seine Kontoauszüge immer öfter in roter Farbe von einer Maschine ausgeworfen. Er war nicht der, der sich völlig überschuldete, das allerdings nutzte ihm nach dem Zusammenbruch der Währungen auch nicht mehr viel.

Wenn er an die Billionen dachte, die zuletzt in die Märkte zur Rettung derselben gepumpt wurden, wurde ihm schwindlig. „Wie konnte auch nur einer glauben, dass sich das noch einmal erholen würde und alles wieder so würde, wie es mal war?!“, schoss ihm die Frage durch den Kopf. Es war keine leichte Zeit. Zu viele Menschen hingen zu sehr an dem alten System fest, besonders die, die viel zu verlieren hatten. Fast wäre es zum Bürgerkrieg gekommen. Doch zu guter Letzt war jedem klar, dass der die Sache nur verlagern aber nicht verhindern würde. Die „oberen“ lenkten ein und beschlossen einen radikalen Umbau des Systems, das es schon lange nicht mehr wirklich gab. Glücklicherweise betraf es die ganze Welt und auch wen heute noch viele Grabenkämpfe herrschen, so scheint sich doch alles unaufhaltsam zu wandeln.

Recht hat, wer heilt!

In vielen Bereichen hörten die Kämpfe auf oder wurden bis heute weniger. Die Medizin lenkte ein und befürwortete, Gesundheitsmediatoren einzusetzen. Sie waren es auch, die Anna, eine seiner Lebensgefährtinnen, berieten. Vielleicht waren es die Turbulenzen, vielleicht die vielen Gifte in Lebensmittel, die Sie an Krebs erkranken ließen. Der Gesundheitsmediator klärte sie gewissenhaft über Möglichkeiten auf. Besonders aber erklärte er ihr die neuesten Erkenntnisse der Psychosomatik und der Selbstheilung.  So konnte Sie im Vorfeld bereits viel ohne Medikamente bewirken. Sie entschloss sich dennoch, den Hauptherd schulmedizinisch behandeln zu lassen. Ihr Arzt arbeitete Hand in Hand mit einem Naturheiler zusammen und beide erstellten ein Heilungskonzept. Schließlich bezog sie noch eigene Heilungsmethoden in das Konzept ein. Die Behandlungen fanden, wenn möglich, zuhause statt. Ebenso wurde ihr derzeitiges Lebenskonzept ausgearbeitet und mit dem verglichen, wie sie sich ihr Leben tatsächlich vorstellte. So wurden Veränderungen in allen Lebensbereichen mit ihr abgestimmt, die sie seitdem mit ihrem Life-Assistant, in enger Zusammenarbeit mit ihrem Heilerteam umsetzt. Die Erfolge sprechen für sich.

Beziehungen neu definieren

Mit Anna ist Peter seit drei Jahren zusammen. Sie haben beschlossen, gemeinsam ein Kind zu zeugen und aufzuziehen. Verheiratet ist er mit Corinna. Sie ist auch nach wie vor einer seiner Lebensmittelpunkte.

Zu viel erlebten sie gemeinsam, um sich einfach so zu trennen, nur weil es in dem ein oder anderen Bereich kriselte. Zu groß sind ihre Gemeinsamkeiten, als dass sie sich trennen wollten, nur um dem alten Konzept der Ehe zu genügen. Die Zeiten, dass Eheleute auch dann begünstigt werden, wenn ihre Verbindung keine Kinder hervorbrachte, waren auch schön länger vorbei. Also blieben sie verheiratet und leben heute das Konzept des Co-Partners. Corinna hat heute einen jüngeren Freund und beide – Peter und Corinna – verbringen einen Teil ihrer Zeit miteinander und einen anderen Teil mit ihren neuen Partnern. Ganz ohne Eifersucht ging das auch nicht von statten, doch die Erkenntnis, dass es – entgegen aller Konventionen – genau das Konzept ist, das sie beide Leben wollten, schlichtete schnell ihre Eitelkeiten.

Es gäbe wohl noch viel zu sagen über die neue Welt. Der Mensch ist nicht besser geworden, er war ja nie wirklich schlecht. Der Mensch hat mehr Möglichkeiten an der Hand, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen, ohne dabei ständig in seine Geldbörse schauen zu müssen. Natürlich gibt es immer noch diejenigen, die ihr Geld einstreichen und ansonsten nichts arbeiten. Doch die gab es schon immer und heute wird dieses Lebenskonzept eher respektiert. Auch gibt es noch die, die Geld anhäufen und sich mit Luxus zieren. Jedoch schwindet der Glaube, dass dies die besseren und erfolgreicheren Menschen seien. Auch Sie finden gleichermaßen Anerkennung.

Gemeinschaften auf dem Vormarsch

Durch den geringeren Druck haben sich wieder Gemeinschaften bilden können. Zeit ist nicht mehr unweigerlich Geld und die meisten Fließbandarbeiten wurden durch Roboter ersetz. Vor 10 Jahren hätte sich das noch kein Unternehmen getraut, weil zu viele Arbeitsplätze dadurch verloren gegangen wären. Heute werden Unternehmen aufgefordert, ihre Produktion weitestgehend zu automatisieren.

Die Menschen sind freundlicher geworden und vor allem ehrlicher. Sie trauen sich, Missstände anzusprechen und sich auch aktiv für deren Behebung einzusetzen. Überhaupt können die Menschen über viele Entscheidungen abstimmen. Der Ausbau der Computer- und Internetstruktur, die Einführung neuer Techniken und die Ausbildung der Menschen an solchen Geräten haben dazu geführt, dass selbst Regierungswahlen per Mausklick erledigt werden können. Missstände werden in dafür vorgesehene Portale eingestellt und jeder kann sich an deren Beseitigung kreativ beteiligen.
Viele Dinge regeln sich immer mehr von selbst. Die Menschen achten auf ein faires Miteinander und auf einen respektvollen Umgang. Gerichte werden nur noch in Notfällen bemüht und in vielen Bereichen sind regulative Mechanismen eingesetzt worden, so dass Mediationen stattfinden, bevor das Gesetzbuch bemüht werden muss.

Peter ist zufrieden mit dem, wie es jetzt gekommen ist. Es gibt noch viel zu tun aber die ersten, vielleicht auch die zweiten Schritte sind bereits getan. Anders als früher arbeitet er heute aktiv an neuen Konzepten mit und ist engagiert in der Weiterentwicklung seiner Spezies.

Er trinkt seinen letzten Schluck Kaffee aus und macht sich fertig für seine Arbeit und vor allem für sein Gespräch. Er ist sich sicher, dass er heute Abend wieder etwas gelernt hat und freut sich auf seine Lebensgefährtin, die in den letzten zwei Wochen mit ihrer Ursprungsfamilie und ihren gemeinsamen Kindern in Urlaub war.

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