Entstehung der Persönlichkeit: 1

Wenn es um die Frage nach der Entstehung der Persönlichkeit geht, sind wir schon mitten drin im Glaubenskrieg. Die Psychologie liefert hierzu eine Menge an Annahmen, die sich in den letzten (100) Jahren im Volkskopf etabliert haben:

Die Persönlichkeit entwickelt sich aus einem Zusammenspiel an Informationen, die sich im laufe eines Lebens in Form von Erfahrungen ansammeln. Ein großer Teil, so der allgemeine und auch wissenschaftliche Glaube, setzt sich aus implizitem Wissen zusammen, also Wissen, die wir als Neugeborene und Kinder aufnehmen, ohne wirklich beurteilen zu können, ob es wahr oder falsch, gut oder oder schlecht ist. Das bedeutet, so weiterhin der Glaube, dass wir unbewusst viele Glaubenssätze mit uns herumtragen, die unser tägliches Leben beeinflussen, ohne dass wir dies bewusst wahrnehmen oder – viel schlimmer – steuern und beeinflussen könnten.

Viele Therapien, allen voran die Psychoanalyse, setzen an diesem Punkt an und sehen in der Aufarbeitung dieser, vor allem frühkindlichen, Erlebnisse den Schlüssel zur Befreiung von Neurosen, Psychosen und anderen seelischen Erkrankungen.

Diese Erklärung menschlichen Verhaltens scheint einleuchtend. Die Plausibilität dieses Konzeptes ist so überragend, dass es selten oder gar nicht angezweifelt wird. Im Gegenteil: Zweifler werden  -wie nicht selten der Fall – mit den „Waffen“ der Analyse in die Schranken gewiesen.

Ziel dieses Buches ist es nicht, dieses oder andere Konzepte als falsch zu deklarieren, sondern sie in angemessener Weise in Frage zu stellen, was an vielen anderen Stellen auch bereits geschehen ist.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass nach wie vor davon ausgegangen wird, dass vor allem frühkindliche, weil urteilsfrei aufgenommene, Erfahrungen und Erlebnisse maßgeblich oder zumindest teilweise für heutige seelische Missempfindungen verantwortlich gemacht werden. Als erster Ansprechpartner für die so gegebenen (falsch)informationen kommen demnach die Eltern (bei Freud nicht selten die Mutter) oder die entsprechenden Erzieher und das nähere Umfeld als Täter in Betracht.

Und so ist es auch diese Tätersicht, die weite Teile der Psychotherapiestunden ausmacht, nicht selten vor dem Hintergrund des Verzeihens und Vergebens, des Loslassens alter Muster und des gehegten Grolls. Jedoch: Wo es Groll loszulassen und zu verzeihen gilt, da ist, wenn auch versteckt, immer ein Täter mit im Spiel, dem es zu verzeihen gilt.

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