Wenn Konzepte zu Dogmen werden

Man sollte annehmen, dass Konzepte, die nicht funktionieren, schleunigst durch solche ersetzt werden, die besser funktionieren. Wenn diese (noch) nicht verfügbar sind, könnte man annehmen, dass wenigstens auf den Modell- oder Annahmecharakter hingewiesen wird. Beides findet häufig nicht statt. Stattdessen werden Modelle und Konzepte zu Wahrheiten erklärt, die unumstößlich scheinen. Es entstehen Dogmen.

Dogmen sind für wahr befundene formulierte Auffassungen von der Wirklichkeit eines abgegrenzten Bereichs der menschlichen Erkenntnis. Die Übereinstimmung mit der Wirklichkeit wird vorausgesetzt, ohne dass notwendig eine experimentelle Verifikation zugrunde liegt. Bei der Formulierung eines Dogmas wird eine solche nicht für notwendig oder in vielen Fällen auch nicht für möglich erachtet. Dogmen werden dennoch in einer, jedoch nicht notwendigerweise schlüssigen, Logik begründet und sind damit begrenzt für kritische Reflexionen offen. Die Vertrauenswürdigkeit eines Dogmas und in Folge seine Bedeutung sind davon abhängig, wie unverfälscht und passend es die beabsichtigten Aspekte der Wirklichkeit zum Ausdruck bringt.

Dogmen können besonders im Falle unkritischer und unreflektierter Formulierung mit einem geschlossenen Weltbild einher gehen. Da das Dogma keines weiteren Beweises bedarf, können abgespaltene Denkwelten entstehen. Der Begriff Dogma wird daher heute auch in den modernen Naturwissenschaften als kritische Bezeichnung zur Charakterisierung eines überkommenen Standpunkts oder einer veralteten Theorie verwendet, die neuere Erkenntnisse ignoriert. (aus: Wikipedia.org)

Besonders Religionen arbeiten mit Dogmen, mit unumstößlichen Erkenntnissen und Wahrheiten. Dass ein Papst im 21. Jahrhundert die Vorhölle abschafft mag einen Eindruck geben, wie weit verbreitet Dogmen hier sind.

Doch nicht nur die Religionen müssen sich den Vorwurf des Dogmatismus gefallen lassen. In der Wissenschaft herrscht vielerorts ein ganz ähnlicher Glaubenskrieg zwischen den Anhängern verschiedener Lehrmeinungen. Und besonders an den Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Marktwirtschaft wird gerne an Dogmen festgehalten.

Warum das so ist, kann schnell erklärt werden: Wer die Wahrheit und vor allem die Bestrafung derer, die zuwiderhandeln innehält, der hält das Zepter der Macht in seinen Händen. So glauben viele Menschen immer noch, per Geburt sündig zu sein. Warum das so ist, können interessanterweise die wenigsten erklären, das Dogma jedoch besteht. Genauso weit verbreitet ist der Glaube, dass die nur die Kirchen diese Sünde wenigstens streckenweise von ihnen nehmen können. Wenn Mitgliederbindung immer so einfach wäre, müssten sich viele Vereine nicht mit dem Schwund derselben rumschlagen.

In der Wissenschaft ist es ähnlich: Wir glauben heute beispielsweise, die grundlegenden Mechanismen von Krankheit und Heilung verstanden zu haben. Das Konzept der Viren und Bakterien, die es zu bekämpfen gilt hat sich in unseren Köpfen festgesetzt. Dass manche Medikamente wirken und manche nicht wird mit noch weiter verzweigten Theorien erklärt: Resistenzen bauen sich auf, Viren mutieren und schon ist das Dogma gerettet. Viele Menschen machen sich nicht einmal ansatzweise deutlich, dass wir hier über Modelle reden, die sich weit außerhalb unseres vorher bereits angesprochenen Wahrnehmungsmaßstabes befinden zumal in Systemen, die derart komplex sind, dass es fast schon fahrlässig erscheint, anhand vergleichsweise weniger Beobachtungen feste Regeln abzuleiten, sogenannte kausale (also begründbare) Zusammenhänge.

Die Gefahr also ist immer die, unangenehme Erkenntnisse, die vor allem geläufigen Konzepten widersprechen, mit aller Macht widerlegen zu wollen und nur noch das zu sehen, was für die eigene Meinung und gegen die andere spricht. Auch noch so ausgefeilte Experimente und noch so detaillierte und scheinbar eindeutige Beobachtungen können sich nicht von dem Vorwurf freimachen, zu Gunsten einer Lehrmeinung gemacht worden zu sein. Die Wissenschaft suggeriert uns natürlich, objektiv zu sein, doch spätestens nach der Entstehung der Quantenphysik sollten wir in Erwägung ziehen, dass alles auch ganz anders und wesentlich komplexer sein könnte.

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