Wer zuerst schmiert …

„Die Frage, die alle beschäftigt ist, warum der Pilot die Maschine gegen die Alpen gesteuert hat … wenn es denn so war.“ In diesem Satz steckt die ganze Wahrheit der berichterstattenden Medien, wie wir sie ja nicht erst seit dem Absturz des Jumbos in den Alpen erleben. Die, die seit vielen Monden beklagen, dass Qualitätsjournalismus eben Geld koste, wollen uns jetzt wohl zeigen, dass bereits kein Geld mehr da ist und spekulieren über Spekulationen. Dass der anfängliche Satz aus einem öffentlich rechtlich finanzierten Sendefenster gerufen wurde, macht die Sache nicht besser.

Natürlich will man Antworten, vor allem die Hinterbliebenen eines solchen Unglückes wollen das. Was aber seit so langer Zeit geschieht ist, dass es längst nicht mehr um Antworten geht, sondern es geht um die bestmöglichen und medienwirksamsten Antworten, und dann ist’s auch schon egal, ob irgendeine Frage dazu passt. Und so plaudern Staatsanwaltschaft, Ärzteschaft und die Journaille direkt und munter über das Leben eines Menschen, der seines erstmal verloren hat. Das ist das einzige, was man tatsächlich über diesen Menschen weiß. Und, dank der ganzen investigativen Stellen natürlich nun auch die Inhalte seiner Krankenakte. Mörder hin, Suizidant her. Die Würde war irgendwann mal für jeden gedacht.

Reporter drängen sich nun auch um das Haus der Eltern des Copiloten, als gäbe es da etwas zu sehen, was wirklich spannend wäre – es sei denn, man findet trauernde Eltern spannend. Findet man. Genauso, wie man brennende Autos auf Autobahnen spannend findet, verkohlte Leichen im Iran und anderes eigentlich Fürchterliches. Und da sind wir dann auch auf der anderen Seite der „Schmierenpresse“, wie sie ja gerne gerufen wird, wenn einem nicht gerade das Wort „Lügenpresse“ in den Sinn kommt.

Ich kann mich täuschen, aber ich handhabe das ja so, dass ich bei Berichterstattungen, die mich nicht interessieren, umschalte. Ich kaufe mir keine Bildzeitung, nicht, weil ich ein besserer Mensch bin, sondern weil es mich von Herzen nicht interessiert, was dort steht. Ich vermeide Webseiten mit allzu vielen Nachrichten, wenn mir nicht nach Nachrichten ist. Ich gehe übrigens auch nicht aufs Klo, wenn ich nicht muss, und beschwere mich anschließend noch darüber, dass so langweilig war.

Wenn wir also von Schmierenpresse reden, dann sollten wir auch von Schmierenlesern und -Leserinnen reden, von denen, die sich Dinge nur anschauen, um danach zu statuieren, dass sie das alles ganz schlimm finden. Ohne diese SchmierenleserInnen gäbe es nämlich die Schmierenpresse nicht.

Und natürlich wird schon, auch das nicht neu, gleich spekuliert, ob man nicht öfter und schneller mal Krankenakten offenlegen sollte, nur mal so, könnte ja ein Verrückter drunter sein, der ein Flugzeug führen will, oder einen Bus oder ein Fahrrad mit Anhänger. Dieser Mechanismus hat nach 2001 auch dazu geführt, dass ich mir nun vor jedem Flug Rasierschaum und Duschgel abnehmen lassen muss, weil es in die Luft fliegen könnte, von Menschen, die mit diesem ganzen Unsinn so wenig Geld verdienen, dass sie zu Aufstockern werden. Das ist dann übrigens wieder das Werk von Schmierenpolitikern, aber das ist dann auch schon wieder eine andere Geschichte und hat mit Andreas L. gar nix zu tun.

 

Bild: Andreas Hermsdorf/www.pixelio.de

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