Der Schmetterling im Reis
Chaos ist der Ausdruck für das Nicht-Verstehen der wirklichen Zusammenhänge.
Wenn sie von „Chaos“ hören oder lesen, wird den meisten Menschen mulmig zumute. Viele ertragen die Vorstellung, die Dinge seien nicht berechenbar, nur sehr begrenzt. Sie mögen sich nun fragen, was denn Chaos mit der Gestaltung von Realität zu tun hat? Geht es denn dabei nicht um eben gerade das In-Den-Griff-Kriegen selbiger?
- Die Antwort: NEIN!
- Die Gegenfrage: „Wie, bitteschön, möchten Sie das denn anstellen?“
Edward Lorenz war ein Meteorologe, und das zu einer Zeit, in der es noch keine Computer gab, zumindest keine nutzbaren. Er begnügte sich also mit Papier und Bleistift und einigen einfachen Daten wie Windgeschwindigkeit, Luftdruck und Temperatur. Die wiederum ließ er durch drei aufgestellte mathematischen Gleichungen laufen. Er wiederholte diesen Vorgang viele Male, bis er am Ende eine Wettervorhersage bekam. Zur Nachprüfung musste er nun (er hatte immer noch keinen PC) die ganze Rechnerei nochmals durchführen. Zur Vereinfachung jedoch rechnete er nur mit den ersten drei statt den gesamten sechs Stellen hinter dem Komma. Er erwartete eine geringfügige Abweichung.
Was er nicht erwartete, jedoch erhielt, war eine immense Abweichung vom Ursprungsergebnis. Ihm wurde schnell klar, dass seine zahllosen Wiederholungen den ursprünglich kleinen „Datenverlust“ von drei Nachkommastellen große Auswirkungen hatte. Edward Lorenz wurde somit der Begründer der Chaostheorie und wandelte ein chinesisches Sprichwort in die berühmte Frage: „löst der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Tornado in Texas aus?“
Die Antwort fällt ähnlich aus, wie die auf die Frage, ob es von Bedeutung sein, wenn in China ein Sack Reis umfiele: „JA!“
Natürlich sind die direkten Auswirkungen eines fallenden Sacks voller Reis oder des Flügelschlags eines Schmetterlings nicht wirklich drastisch. Jedoch steht zu Bedenken, dass selbst die kleinsten Irritationen, die dadurch ausgelöst werden, sich unter Umständen im Zuge Ihrer Ausbreitung (nicht unbedingt, sondern möglicherweise) zu einem nicht absehbaren Ereignis auftürmen.
Die Schuld wird dann dem letzten Ereignis in der Kette zugeschoben, bestenfalls verknüpft mit einer Person, die selbiges begleitete. Wären wir fähig, eine Ereigniskette tatsächlich bis zu ihrem Ursprung zurückzuverfolgen, hätten wir unter Umständen mehr Reislager als Gefängnisse.
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