Lasst eure schmutzigen Finger von den Kindern!
Der Krieg tobt, hier wie dort. Er tut das, seit ich denken und/oder Nachrichten schauen kann. Der Nahe Osten ist in meinem Vokabular ähnlich etikettiert wie Palästina und Afrika – mit Krieg und Gewalt. Ich kann mich in der Tat nicht daran erinnern, je etwas Angenehmes über diese Länder gehört zu haben, gleichwohl es das gibt.
Was sich derzeit in der Welt tut, sucht seinesgleichen. Menschen fliehen aus ihrer Heimat, werden hier freundlich, dort mit Prügel empfangen, vor allem aber werden sie dem Land fehlen, aus dem sie fliehen. Aus Syrien sind bereits ein gutes Drittel der Bürger geflohen.
Es sind die Starken, die, die wenigstens etwas Geld haben, die fliehen. Zurück bleiben die Armen, die Verlorenen und die Kriminellen, die Schlepperorganisationen, die horrende Summen für eine Flucht verlangen, kurzum die Mafia. Was will ein Assad oder irgendein anderer Despot mit solchen Menschen erreichen? Da bleibt ja nur Krieg, auf immer und ewig.
Was treibt Menschen an, ihre Umwelt derart beherrschen zu wollen, dass sie alles in Schutt und Asche legen? Was hat ein Mensch, eine Organisation davon, im Auftrag eines offenbar herzlosen Gottes, Propheten oder Allahs Menschen hinzurichten, um danach auf einem blutüberströmten Thron zu residieren?
Es wird Zeit, zu protestieren
Unsere Politik hat aber gerade nichts besseres zu tun, als zwischen wohlfeilen Versprechen und rechten Parolen im Schulterschluss mit rechten (europäischen!) Präsidenten zu schlingern. Natürlich muss etwas getan werden, nur, es tut keiner etwas – außer sich zu streiten, um die eigene Meinungshoheit und Macht.
Viel wichtiger die Frage, was die Mehrzahl der Menschen, die die derzeitigen Verhältnisse in der Welt nicht wollen antreibt, nichts zu tun? Wie kann es sein, dass wir Geld wie Dreck, Essen zum Wegwerfen und Platz genug auf diesem Planeten haben, und trotzdem verhungern Menschen, verdursten sie, werden ermordet oder leben in unwirtlichen Gegenden, in denen Sie über kurz oder lang auch sterben. Warum schafft es die grandiose Mehrheit nicht, sich zu organisieren? Weil die Hoffnung, nach oben aufzusteigen, zu denen zu gehören, deren Fehler man von unten doch so deutlich sieht, einfach nicht sterben will? Und: Was ist das für eine Hoffnung? Irgendwann selbst auf einem roten Thron zu sitzen?
Dass wir mit den Parolen eines Horst Seehofers nicht d’accord sind, zeigen wir, indem wir ungeachtet dessen helfen. Doch auch der größte Enthusiasmus verfliegt irgendwann. Und dann?
Es wird Zeit, dass wir protestieren. Wir, das ist die Mehrheit, sicherlich eine heterogene Mehrheit, aber immerhin mit dem ein oder anderen gemeinsamen Nenner: Menschlichkeit, Fairness, Empathie. Und es wird Zeit, dass ein solcher Protest nicht gewaltsam ist. Es ist erwiesen, dass brennende Autos und schießende Waffen ein gutes Gefühl für die vermitteln, die Ihre Wut zeigen wollen. Es ist aber auch erwiesen, das es weitaus mehr bringt, intelligenten und gewaltfreien Protest zu organisieren. Nur so kann über kurz oder lang dieser blutige Flächenbrand gelöscht werden.
Die erlernte Hilflosigkeit
Wir wissen mittlerweile, dass die Macht nicht mehr von der Politik ausgeht. In diesem Sinne wird es zukünftig keine große Wirkung mehr haben, den Protest gegen die Politik zu richten. Protest muss dort stattfinden, wo das stattfindet, gegen das es zu protestieren gilt, den Machtmissbrauch und die Gier, und das sind die Unternehmen, in denen und für die wir arbeiten. Wir müssen den Mut aufbringen, unsere für deren Gewinne notwendige Arbeit an eine Gegenleistung koppeln, etwas, was man einst Moral und Werte nannte. Ist das nicht erfüllt, arbeiten wir nicht. Leicht gesagt, ich weiß.
Davor allerdings müssen wir uns selbst auch wieder auf genau das einigen, auf Werte. Werte, die außerhalb dessen liegen, was wir kaufen können. Das aber dürfen wir nicht von der Politik und schon gar nicht von der Wirtschaft erwarten, denn die eine streitet sich eben nur noch über Werte und die andere vermarktet sie, druckt sie auf ökologische Saftflaschen und fair gehandelten Smartphones. Wir müssen aus dieser erlernten Hilflosigkeit herauskommen, die uns glauben macht, dass die Politik und die Wirtschaft uns retten können, wir ohne sie verloren wären. Umgekehrt wird ein Schuh draus.
Das wir gewinnt
Beide – Politik und Wirtschaft – können ohne uns nicht überleben. Wir produzieren und kaufen die Dinge, die ein Land am Leben halten. Politik und Wirtschaft sind die Instanzen, die dafür Geld und Macht einstreichen. Das ist der wahre Preis eines neuen I-Phones oder Samsung Smartphones. Dass wir damit telefonieren können, ist nur der Bonus für uns. Vermutlich würden wir es aber auch ohne diese Funktionen kaufen, weil unser Leben dadurch so viel besser wird.
Gestern war es die Wirtschaftskrise, heute sind es die Flüchtlinge und morgen wird es etwas anderes sein, was die, die es auszubaden haben, nie gewollt und schon gar nicht gemacht haben. Die nämlich sitzen in Ihren Palästen, auf Ihren Farmen oder in der Uckermark. Es wird Zeit, das die Zivilgesellschaft, dass WIR, unsere Macht entdecken, dass wir erwachen aus dem Traum, dass der Zustand des Kindseins bis zum Tode andauert. Es wird Zeit, dass wir erwachsen werden und aufhören, den Zustand der Welt anderen zu überlassen, denen überlassen, die sie gerade nicht pfleglich behandeln. Das schulden wir uns und denen, die uns nachfolgen.
Und noch etwas an alle Kriegstreiber und europäischen Ordnungskräfte: Lasst die Finger endlich von eben denen, die unsere einzige Chance sind, eine bessere Zukunft zu bauen. Hört auf, sie zu traumatisieren und zu malträtieren. Sie können sich nicht wehren.
Lasst eure schmutzigen Finger von den Kindern!
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