Rede im Römer zum CSD 2013

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, verehrte Gäste, liebe Vertreter der Community, schwul-lesbischen und Trans-Lebens. Brauchen wir den CSD? Nein! Und damit könnte diese kleine Ansprache auch schon wieder aufhören.

Was wir brauchen, was wir wirklich brauchen, ist Sonne, Luft, Wasser und Nahrung, etwas Fortpflanzung, Stoffwechsel eben. Gut, etwas Anerkennung und Liebe wären nicht schlecht.

Aber für viele Menschen dieser Erde sind derlei Dinge schon zweitrangig, da sie sich mit der Beschaffung von Nahrung rumplagen müssen und für Demonstrationen zur eigenen Sexualität wirklich wenig Zeit haben.

Nein, wir brauchen den CSD nicht, denn wir könnten unser Leben selbstredend auch als Einheit von etwas Größerem, beispielsweise einer Diktatur, verbringen und darauf pfeifen, dass wir eigentlich lieber das gleiche Geschlecht denn das andere lieben mögen.  Dann müssten wir auch nicht die Mühe machen, für unser Bedürfnis  einzustehen. Und wenn wir es doch täten, säßen wir eben im Gefängnis oder wir hingen wie mancherorts auf dieser Erde – Ruckzuck – am Strang. Nein, es geht auch ohne CSD!

Und was überhaupt soll diese Ansammlung einer „schrillen Minderheit“ bewirken? Das schürt doch nur wieder Ressentiments bei den „Normalen“! Und die haben wir doch schon auch so zur Genüge! Wo kämen wir denn dahin, wenn alle Kerle mit einer Federboa und näselnder Stimme über die Gassen wackeln würden oder gar alle Frauen im Karohemd und Kippe im Mundwinkel? Nein, so einen CSD, den brauchen wir nicht.

Wir wollen Normalität zeigen. Ja, wir wollen zeigen, dass wir auch normal sein können, wie alle anderen! Und das lassen wir uns durch diese narzisstischen Gesellen und Gesellinnen nicht vermiesen! Nein, wir brauchen  keinen CSD!

Und die Homoehe. Mal ehrlich, gibt’s denn nichts Wichtigeres, als alte Hetero-Klischees aufzuwärmen und so einen Quatsch wie „bis dass der Tod uns scheidet“ aufzubrühen? Wir wollen uns unsere Offenheit gegenüber sexuellen Belangen doch nicht durch sowas wie das Lebenspartnerschaftsgesetz vermiesen  lassen.

Um zu zeigen, dass wir uns mögen, dafür brauchen wir keinen Trauschein. Nichts, wofür es zu demonstrieren lohnte. Nein, wir brauchen keinen CSD!

Soweit die Ressentiments gegen den CSD. Ressentiments, im Übrigen auch  aus den eigenen Reihen. Mich verwundert es und ich habe manchmal das Gefühl, dass wir gar nicht so sehr die „Heteros“ und „Normalos“ davon überzeugen müssen, dass Schwule, Lesben, Transgender und transidente Menschen anerkannt werden müssen.

Je mehr ich in den eigenen Reihen Meinungen zum CSD sammle, beschleicht mich das Gefühl, dass wir selbst genauso zu der Zielgruppe gehören, die davon überzeugt werden muss, dass es völlig in Ordnung  ist, anerkannt zu werden, so wie man eben ist: mit Federboa, Karohemd, Trauschein oder seiner ganz persönlichen gefühlten sexuellen Identität.

Also nochmal: Brauchen wir den CSD? Ja, ich denke, wir brauchen ihn, mehr denn je!

Und deshalb veranstaltet der Förderverein Zukunft Spenden e.V. auch dieses Jahr den Christopher Street Day in Frankfurt am Main.

Im vergangenen Jahr haben wir den 20sten CSD in Frankfurt am Main bestritten und treten dieses Jahr in das neue Jahrzehnt ein. Da trifft es sich gut, dies mit der Einführung einer neuen Tradition zu begehen, nämlich dem Empfang im höchsten Haus der Stadt, in der all die Menschen leben, denen wir diesen CSD unter anderem widmen.

Dafür, sehr verehrter Herr Feldmann, möchten wir Ihnen sehr danken, genauso wie für das Engagement, dass Sie für den CSD an den Tag gelegt haben, mit der Schirmherrschaft und auch den Einsatz bezüglich der Politik- und Kulturbühne. Diese werden wir in diesem Jahr auch mithilfe der von Ihnen angeregten und von der NASPA-Stiftung bewilligten Fördergelder erstmals stattfinden lassen – noch eine schöne Tradition, die wir gerne beibehalten wollen.

In diesem Jahr sind schwullesbische Themen ja nahezu omnipräsent, fast will man meinen, sie werden inflationär verwandt. Das haben wir natürlich auch dem Wahlkampf zu verdanken, wobei sich manch eine Partei davon nicht beeindrucken lässt. Fast will man sie für so viel Ehrlichkeit auch schon loben. Dazu gleich mehr.

Spätestens im Herbst aber ist dieser Wahlkampf vorüber und dann wird es wieder hauptsächlich die Aufgabe der eigenen Reihen sein, schwulen, lesbischen, transgender und transidenten Menschen Ihren gleichberechtigten Platz in der Gesellschaft zu sichern und dafür einzustehen.

Wenn man es mal nüchtern betrachtet, reden und diskutieren wir weltweit, teils mit viel Verve, teils mit Gewalt darüber, dass es Menschen gibt, die lediglich das gleiche Geschlecht lieben oder einfach eine andere sexuelle Identität annehmen möchte, als ihre angeborene. Mehr nicht.

Es geht es nicht darum, ein Verbrechen zu verteidigen oder eine Straftat gutzuheißen. Nein, es geht nur darum, frei entscheiden zu dürfen, mit wem ich Liebe machen will und welchem Geschlecht ich mich zugehörig fühle. Das wars schon. Nichts Großes, sollte man meinen.

Aber dafür werden Menschen immer noch diskriminiert und belächelt, benachteiligt, Opfer von Gewalttaten oder, andernorts gar getötet, teils staatlich initiiert oder toleriert

Und dann fällt es schon etwas schwerer, das Getöse mancher Kirche und etablierten Volkspartei einfach mal so als konservativ und ewig gestrig abzutun. Denn es wird klar, dass eben jenes Getöse all diejenigen unterstützt, die diskriminieren, verletzen oder gar töten.

Und das kann und darf nicht sein. Nicht in einem zivilisierten und demokratischen Land wie unserem. Dieser Preis nur für die Gewinnung oder Erhaltung von Gläubigen oder Wählergruppen ist zu hoch!

Und wir reden nicht von unterschiedlichen Meinungen zum Thema. Die dürfen und müssen sein. Wir reden von bewusst zugelassenen Diffamierungen im Namen eines Gottes oder einer Partei. Über unterschiedliche Meinungen diskutieren wir gerne und suchen einen für beide akzeptablen Weg. Über Diskreditierungen aus solch niederen Gründen diskutieren wir nicht.

Aber auch bei denen, die nun im Getümmel der Wählerstimmengewinnung große Worte und Gesten an uns richten, werden wir genau hinschauen, denn Papier ist ja bisweilen geduldig.

Wir sind es auch, wenn wir ernstgemeintes in all dem Lärm sehen und hören.

Und umso schöner, dass es eben auch positive Signale gibt, Signale, zu denen sich andere Vorsteher dieser Stadt nicht durchringen konnten.

Teils, weil die Zeit noch nicht reif war, teils weil sie selbst nicht reif dafür waren oder ihre politische Gesinnung vielleicht wichtiger war als eine einende Geste.

Sie scheinen es zu sein, Herr Feldmann und darauf lassen sie uns gerne anstoßen, bevor die Leute vom CSD dann auch schon wieder im Auftrag der Gleichberechtigung unterwegs sind.

Danke

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