Rede im Römer zum CSD 2014

Liebe Community, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste und vor allem sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Feldmann.

Vielen Dank für die Einladung, die zweite Einladung im Rahmen des Christopher Street Days in Frankfurt, der wir gerne gefolgt sind und die wir gerne kommentieren, in Form einer Rede an Sie und die Gäste hier.

Community, Gemeinschaft, das ist ein hohes Gut, ein Lebenselixier sozusagen, denn Gemeinschaft macht stark. Sie hält uns in schweren und inspiriert uns in leichten Zeiten. Ohne sie können wir nicht leben, ohne sie sterben wir, noch ehe wir die Chance auf Leben haben, ohne sie findet keine Entwicklung statt, kurzum: Wir sind soziale Wesen!

Unsoziales ist nicht in unserem Bauplan vorgesehen – vielleicht funktioniert es deshalb ja nicht so gut.

Das scheint dem zu widersprechen, was wir in der anderssexuellen Community seit einigen Jahren erleben: Sie zerklüftet, zerstreut sich in alle Richtungen und hat kaum noch Interesse an gemeinsamen Treffpunkten – die Szene löst sich auf. Scheinbar.

Schaut man auf das, was Menschen zusammenhält, dann sind es die Gemeinsamkeiten, und zwar gute wie schlechte, Freude wie Not.

Vor allem Not schweißt zwar feste zusammen, der Zusammenhalt hört aber in aller Regel nach Beendigung der Notlage auf oder zerklüftet eben, die Menschen zerstreuen sich.

In der Community gab es so manche Not, vor allem die der Nicht-Akzeptanz bis hin zur Kriminalisierung homosexueller Handlungen bis in die 80er Jahre hinein. Frankfurt erlangte eine zweifelhafte Berühmtheit durch die Frankfurter Homosexuellenprozesse in den 50er Jahren, die mehrere Homosexuelle in den Suizid trieben. Das schweißt zusammen.

Fast nahtlos kam dann in den 80ern das HI-Virus. Die Community, gerade auf dem Wege der Befreiung aus den gesellschaftlichen Gettos, musste sich nun nicht nur mit dem eigenen Sterben auseinandersetzen, sondern sollte auch noch die Verantwortung für das Sterben der Menschheit an dieser „Seuche“ übernehmen. Homophobie bekam ein unschlagbares Argument in die Hände und alle homophob gebliebenen spielten diese Karte gerne wieder. Die Szene dünnte aus, Angst machte sich breit und in diesem Maße natürlich auch die Community.

Nicht, dass die HIV-Gefahr gebannt wäre, jedoch hat sie ihren Schrecken verloren und unsere Gesellschaft ist liberaler geworden, wenigstens vorsichtiger im Umgang mit anderssexuellen Menschen, vielleicht nicht gerade aus wirklichem Respekt heraus, so dann doch aus dem Unwillen heraus, sich als homophob beschimpfen lassen zu wollen.

Damit könnte die Geschichte erzählt sein. Not vorbei – Community vorbei, wer braucht sie noch?

Doch auch wenn die Not nun vorbei und der Zusammenhalt nicht mehr so zwingend zu sein scheint, so können wir doch erkennen, dass aus eben dieser Not etwas entstanden ist, was das gemeinsame Leben bereichert und uns eint.

Und an diesem Punkt sind wir jetzt. Jetzt gilt es, genau das zu erkennen und zu entdecken.

 

Jetzt gilt es nach allem „sich-wehren-müssen“  auch einmal die Blüten anzuschauen, die wir da bei unserem Kampf für Respekt herangezogen haben. In einer dieser Blüten stehen wir gerade, hier im Zentrum der Stadt, im Kaisersaal. Von hier aus wurden Homosexuelle verfolgt und jetzt geloben wir von hier aus Respekt gegenüber Homosexuellen. Lebendiger kann Geschichte gar nicht sein, als jetzt gerade in diesem Moment.

Man muss nicht alt sein und diese Zeiten mitgemacht haben, um zu erkennen, dass die Gemeinschaft all der Menschen mit ihren verschiedenen sexuellen Vorlieben dazu geführt hat, das Homophobie in unseren Breiten vielleicht nicht verschwunden ist, aber geahndet und diskutiert wird und diese Diskussion auch auf andere Erdteile ausgedehnt wird, in denen wir von Respekt und Menschenliebe weit entfernt sind.

Und Menschenfeindlichkeit ist auch kein „Privileg“ unserer Community. Der Mensch ist sich selbst der größte Feind, gleich aus welchem Grund.

Religiöse Gruppen, Menschen aus anderen Ländern, Menschen mit körperlichen Besonderheiten und viele mehr können ein Lied darüber singen.

Und genau das sollten wir eben auch tun. Das erreichte Feiern und vor allem: Damit aufhören, uns selbst untereinander auszugrenzen, damit aufhören, dieses Wir aus den Unterschieden zu generieren, aus den Dingen, die uns trennen.

Stattdessen müssen wir die Gemeinsamkeiten erkennen und aus den Unterschieden lernen; lernen, wie bunt und vielfältig und wunderschön diese Welt ist. Nicht überall und nicht immer aber jetzt gerade und hier gerade und in diesen Tagen des CSD im Besonderen.

Ich höre immer wieder, dass diese Feierei dem Thema nicht würdig sei. Ich kann das so nicht sehen. Ein geteiltes Lachen und ein gemeinsamer Tanz sind der beste Garant zu erkennen, wie nahe wir uns in Wirklichkeit sind.

Und dann merken wir im Übrigen auch, dass die Unterschiede immer nur marginal sind. Das, was wir aus ihnen machen, aber ist oft brachial.

Und noch etwas sollten wir lernen. Wir sollten lernen, dass wir, wir Lesben und Schwule, wir Trans-, Intermenschen und Bisexuelle eben auch etwas zu geben haben. Wir zeigen, wie vielfältig Geschlechtlichkeit, Sexualität gelebt werden kann und wie viel Spaß sie machen kann.

Wir werden als promisk beschimpft, weil wir viel Sex haben? Nennen wir es unverklemmt.

Wir werden als untreu bezeichnet, weil manche von uns eine offene Beziehung bevorzugen, die für sie eine realistischere Option zur monogamen Ehe ist? Nennen wir es großes Vertrauen ineinander.

Wir werden als abartig beschimpft, weil wir uns ein anderes Geschlecht geben als das, mit dem wir geboren sind? Nennen wir es frei und vor allem mutig.

Viele schauen sich die Demonstration nachher wieder an und befinden sie als zu schrill, weil Männer als Frauen verkleidet die Straße beleben. Dabei vergessen sie, dass es die Drag-Queens waren, die vor 45 Jahren in New York in der Christopher Street die Stonewall-Riots angeführt haben, die, die am meisten zu verlieren hatten haben das meiste gewagt. Und das gehört eben genauso zu unserer Kultur, zu unseren Wurzeln.

Und das sollten wir uns von niemandem nehmen lassen, und schon gar nicht im Tausch mit dem Recht auf Verpartnerung oder anderen freundlichen Gaben, die uns schlicht zustehen!

Und sind wir ehrlich: Nicht wenige Menschen haben das ein oder andere Konzept übernommen, weil es auf sie passt, genauso wie es auf andere nicht passt und sie genauso frei sind es nicht zu übernehmen. Bestenfalls kommentarlos und wertfrei.

Wir wollen zeigen, dass wir uns für unseren Lebens- und Liebesstil, für unseren Sex und unser Geschlecht nicht zu schämen brauchen, im Gegenteil, wir sollten stolz darauf sein, dass wir gegen manch moralinsaueres Getue auflehnen, nicht weil wir nicht erwachsen werden wollen, sondern weil wir es sind!

Und das muss unser Ziel sein: Uns für diese ganzen kulturellen Eigenarten nicht zu schämen, sondern stolz auf sie zu sein, stolz auf unsere Kultur zu sein. das können wir aber nur, wenn wir anfangen, uns zu begegnen, uns gegenseitig zuzuhören, uns zu verstehen und zu respektieren.

Das wird auch Aufgabe einer Koordinierungsstelle sein, die seit längerem in Frankfurt eingerichtet werden soll, aber immer noch nicht installiert ist. Auch hier unser Appell, dies nun anzugehen und den gesellschaftlichen Nutzen zu sehen.

Je eher wir eine solche, und im Übrigen viele andere solcher Kommunikationsstellen haben, umso eher können wir damit beginnen, das zu etablieren, wofür Frankfurt seit langem steht und wofür wir zwar immer, zu diesem CSD aber ganz speziell aufrufen:

Multikulti ist gescheiter!

Wir als Lesbisch-, Schwule-, Bi- Trans- und Inter-Community haben in den letzten Jahrzehnten erlebt, was Gemeinschaft kann, welche Kraft dahinter steckt. Lasst uns aus diesem Erlebnis die Zukunft formen. Das Ergebnis ist längst nicht nur für uns wichtig, es ist für die gesamte Gesellschaft wichtig und sollte unser wichtigster Exportschlager sein.

Entgegen aller Unkenrufe, dass Multikulti ein Auslaufmodell sei, bleiben wir dabei, dass die einzige Chance, in einer respektvollen und liberalen Welt zu leben, die ist, eine Atmosphäre zu schaffen, in der Diversität nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung empfunden wird. Dafür gehen wir das ganze Jahr über auf die Straße, reden mit Menschen, fördern Gemeinschaft und … organisieren den Christopher Street Day in Frankfurt am Main.

Happy Pride!

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