Tröge und Schweine

Der Mensch ist gut

Ein Freund von mir sagte mal: „Der Mensch ist gut“. Aber was ist denn gut? Und wer sagt, was gut ist, sein soll und sein darf? Menschlich soll er sein, der Mensch. Ist er ja, mögen wir aber nicht. Wir hätten es gerne menschlicher oder anders menschlich, fürsorglich, freundlich. Kurz gesagt befinden wir uns in dem Dilemma, dass wir weitestgehend selbst entscheiden müssen, was gut und was böse ist. Und da scheiden sich ja nun die Geister. Je nach dem, wo Mensch gerade steht – auf der Sonnen- oder Schattenseite – findet er das eine gut und das andere schlecht. „Die da unten“ finden demnach „die da oben“ unmenschlich, während „die da unten“ „denen da oben“ relativ wurscht sind.

Doch jetzt (naja, eigentlich seit Menschengedenken) begehren „die da unten“ auf, wählen Trump und den Brexit. Trump, weil er sagt, was er denkt und Brexit, weil sich die EU von einer Organisation zu einer Unorganisation entwickelt hat, zu verschieden, zu uneinig. Der Umgang mit den Flüchtlingsströmen zeigt, was gemeint ist.

Die falschen Argumente

Da helfen auch die ewigen Beteuerungen, dass die EU nun siebzig Jahre Krieg verhindert habe, wenig. Die meisten EU-Bürger haben keinen Krieg erlebt und Ihnen fehlt der Bezug dazu. Sie können nichts fürchten, was sie nicht gefühlt haben. Insofern erreicht dieses Argument, so wichtig es sein mag, „den EU-Bürger“ einfach nicht.

Ebenso hören wir mantraartig, wie sehr wir finanziell von der EU profitieren. Auch oder gerade das ist wohl eines der schlechtesten Argumente. Die „da unten“ sehen sich eben nicht als Profiteure. Sie sehen sich als ErfüllungsgehilfInnen einer Wirtschaft, die es ablehnt, sie zu beteiligen und ordentlich zu bezahlen. Sie sehen sich als solche, die etwas zu sagen hätten, hörte man Ihnen zu. Stattdessen belehrt man sie in Sachen politischer Korrektheit und Alternativlosigkeit.

Auch in anderen Organisationen zeigt sich die Unorganisiertheit und Zerstrittenheit in Form von Vetos, die sich ganz praktisch im Nichtstun äußern. Man schaut zu und das war’s.

Die so angestaute Wut bricht sich in Kommentaren Bahn – wenn man sie lässt. Das geschieht von Zeit zu Zeit nur zu bestimmten Themen: Russland ja, Israel nein. Bahn- und Flugstreik ja, Justiz, Krininalität und NSU nein.(siehe Video ab 28:50, wobei das ganze Video spannend anzuschauen ist)

Regen, Traufe, Glashaus und Grube graben

Aber zurück zu Trump und Brexit: Trump sagt, die Nato sei obsolet (veraltet), die EU nutzlos, das „Auslagern in Billiglohnländer“ schädlich für die Volkswirtschaft. Zugegeben, er sagt es in einem Ton und mit Worten (und Richtungswechseln), die oft nicht tolerabel sind, zumal sie signalisieren, dass man ab jetzt so miteinander umgehen darf. Das muss man kritisieren. Ein Land und Volk vorwiegend mit den Gesetzen des Neoliberalismus (der Stärkere und so) statt denen der Solidarität zu regieren geht zudem in eine Richtung, die ich für schädlich halte, wobei sie vermutlich irgendwann für „die da oben“ gefährlich werden wird (und damit für ein ganzes Land).

Aber im Grunde wiederholt er eine Kritik, die ich seit langem auch aus Deutschland höre. Bis vor kurzem wollten noch viele aus der EU raus und es denen da oben mal zeigen. Nun macht’s jemand und es ist auch nicht recht. Und während die Etablierten alles, was sie in Gefahr bringen könnte, versuchen schlecht zu reden, statt überzeugt damit umzugehen und vor allem anzufangen, ihre Kritiker wahrzunehmen, wollen „die da unten“ gerne „da oben“ sein und wählen nun „die da oben“ ab, um „die anderen da oben“ zu wählen. Das hat was von Regen, Traufe, Glashaus und Grube graben.

Einig in Uneinigkeit

Vielleicht wird ja tatsächlich das alte Establishment geschwächt. Entstehen wird ein neues Establishment. In dem aber werden die, die zwar behaupten, es abschaffen zu wollen, in Wirklichkeit aber gerne selbst dazugehören möchten, wieder keinen Platz finden. Oder, wie es Bert Brecht treffend sagte: „Die Tröge bleiben dieselben – nur die Schweine, die daraus fressen, ändern sich.

Ansonsten lautet die Strategie: Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns. Der (politische) Gegner wird niedergeschrie(b)en und der Gegner ist immer der, der nicht in unserer Partei oder Gruppe ist – und selbst dort lauert er. Dieses Trennung kann niemals zum Ziel führen. Sie führt zwangsläufig dazu, dass wir uns immer weiter zersplittern und immer weniger einigen können. Die politisch korrekten, die politisch unkorrekten, die da oben, die da unten, die rechts, die links, die mit diesem und die anderen mit jenem.

Eine Einigung auf eine gemeinsame Welt rückt immer weiter in die Ferne und das nicht nur wegen „der Bösen“. Gut und Böse werden immer schwammiger und am Ende ist der Mensch eben doch nur ein zeitweise eingehegtes Tier, dessen oberstes Ziel es ist, Macht zu bekommen und zu erhalten. Wir sollten uns vielleicht daran gewöhnen, dass das so oft propagierte Bild des guten Menschen auf einen großen Teil dieser Spezies so nicht zutrifft. Und wir sollten uns auch daran gewöhnen, dass wir zumindest von Zeit zu Zeit eben auch zu diesem Teil gehören.

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