Du musst Dich nicht entscheiden, wenn Du 1000 Träume hast – Barbara Sher

Dieses Buch handelt von einer Gattung Mensch, der sich auf den ersten Blick wohl so manch einer zugehörig fühlt. Das Buch handelt von der Spezies der „Scanner“, wie Barbara Sher sie nennt. Sie geht einem Phänomen auf die Spur, das man auch Vielseitigkeit nennen könnte. Stattdessen müssen sich solch vielseitig interessierten Menschen nicht selten mit dem Stempel des Loosers begnügen, der nicht die Ausdauer hat, „es“ zu „was“ zu bringen, obwohl „er doch das Zeug dazu hätte“.

Barbara Sher gibt eben diesen Menschen eine Anleitung an die Hand, die Ihnen helfen kann, den scheinbaren Mangel endlich als Fähigkeit und Begabung anzusehen, die es zu nutzen gilt. Auf den zweiten Blick aber hat es Lücken. Nimmt man den Ratschlag Shers an, so sollen sich derart vielseitig interessierte Menschen einen Nebenjob suchen, der Ihnen das nötige Geld einbringt, um das, was sie wirklich gerne machen, als Hobby zu betreiben.

Die dargestellten Ratschläge sind auf den US-amerikanischen Markt zugeschnitten, in dem, zumindest vor der Finanzkrise, ein solches Vorgehen vielleicht noch praktikabel war, es vielleicht auch jetzt noch ist. Zumindest unser hiesiges Bild ist geprägt von der „Tellerwäscher-Millionär-Mentalität“ die in Amerika herrscht. Dieses Bild ist auf den Deutschen oder gar europäischen Markt schwer übertragbar.

Symptombehandlung statt Ursachenforschung

Mir scheint es außerdem, dass das eigentliche Grundproblem nicht behandelt wird: Das, was sich nach außen zeigt, ist zunächst einmal pure Symptomatik, die sich wie folgt darstellt:

  • Viele Ideen, die in schneller Folge durch das Gehirn schießen
  • die Entscheidung, welche Idee nun verfolgt werden soll, nimmt mit der Menge an Ideen zu
  • Schnelle Langeweile beim Ausüben nur einer Tätigkeit, sei es über den tag oder gar über das Arbeitsleben verteilt
  • wechselnde Interessen innerhalb einer bestimmten Zeit, entweder innerhalb eines Themengebietes oder auch übergreifend

Aus meiner eigenen und meiner Praxiserfahrung kann ich berichten, dass es sich bei solchen Multitalenten oder Generalisten oftmals um Menschen handelt, die schlicht schnell denken können und es deshalb auch müssen. Denken jedoch ist eine Sache, die nicht nur lernbar ist, sie ist vor allem dann, wenn das Denken behindert, zu schnell und zu unruhig wird, auch trainierbar.

Querdenker denken anders

Solche Menschen lassen sich oft als Querdenker identifizieren, die die Fähigkeit haben, Schlussfolgerungen zu ziehen, die (1) andere in der Geschwindigkeit nicht ziehen können und (2) teils derart „quer“ sind, dass andere damit im ersten Moment nicht viel anfangen können – sie selbst im übrigen auch nicht. Was dann bleibt ist (3) Frust, weil es nicht oder nicht in der gewünschten Geschwindigkeit zum Ergebnis führt, zumal die Frustrationstoleranz recht niedrig ist, eben weil das Gehirn derart voranprischt.

Dass solche Menschen in Unternehmen einen schweren Stand haben, ergibt sich automatisch. Hier herrschen meist langwierige Entscheidungsprozesse, in denen wenig Platz für schnelle Denker ist, die eine ebenso schnelle Entscheidung fordern. Da kann es schon mal passieren, dass noch so gute Ideen im Sande verlaufen. Die Gründe sind vielfältig und liegen nicht nur in der Entscheidungsstruktur, sondern sind teils auch politisch oder machtstrategisch begründet.

Kreativität statt Machtpolitisches Kalkül

Und schon sind wir beim zweiten Punkt: kreativen (und intelligenten oder gar klugen) Menschen fehlt nicht selten der Sinn (nicht die Fähigkeit) für derart strategisches und machtpolitisches Denken, weil dafür schlicht kein Platz ist. Wenn gut begründete Verzögerungen noch hinnehmbar sind, so sind es (Macht)politische schon nicht mehr. das alles mögen einige Argumente dafür sein, dass sich manche Menschen in unserer immerhin noch von der industriellen Epoche geprägten Arbeitswelt nicht wirklich wohl fühlen.

Und so spricht Barabara Sher von eben diesen Menschen, die normale Arbeitsverhältnisse nicht nur unangenehm finden, sondern diese Unannehmlichkeit einfach nicht ertragen und auch mit viel Wohlwollen nicht darin bestehen können. das unterscheidet sie von vielleicht vielen anderen, die sich schlicht damit abgefunden haben, dass das Arbeitsleben träge und langweilig ist.

Das gute an Shers Buch ist, dass sie diesen Menschen Normalität und Begabung attestiert, und zwar mehr, als diese je geglaubt haben, zu besitzen. Daraus aber diese teilweise genauso unbefriedigenden Vorgehensweisen zu schlussfolgern, halte ich für weniger gelungen. Vielmehr formiert sich mittlerweile eine Gruppierung Menschen, die die Missstände des Arbeitslebens nicht mehr hinnehmen will und ihr eigenes Süppchen kocht.

Wir nennen es Arbeit

Sascha Lobo und Holm Friebe bezeichnen diese Menschen in Ihrem Buch (Wir nennen es Arbeit) als Digitale Boheme: Menschen, die sich (unter anderem) im Internet eine Existenz aufbauen, wie es viele durch ebay bereits tun, sich von den starren Strukturen der Arbeitswelt lösen, dabei vielleicht im ersten Moment nicht den (äußeren) Reichtum und vor allem nicht die regelmäßigen Geldflüsse schaffen, wie es bei einer Festanstellung der Fall ist, im Gegenzug aber Selbstbestimmt und damit auch glücklicher leben.

Sie postulieren, dass kreatives und nicht immer zielführendes Arbeiten, dass sich gerne auch von eigenen Bedürfnissen leiten lässt nicht im Gegensatz zur erfolgreichen Teilnahme an der Volkswirtschaft steht, sondern sehr wohl daran teilhaben kann. Kurzum: kreatives selbstbestimmtes Arbeiten und Geldverdienen sind kein Gegensatz, sondern eine praktilable Alternative zu den bisherigen Beschäftigungsverhältnissen.

Fazit

Als Inspiration ein gutes Buch, dass allerdings mit seinen Modellen wenig modern ist und so manchen beginnenden Erfolg im Sande verlaufen lässt, weil es keine langfristig befriedigende Lösung im Sinne von etwas Neuem bietet, sondern lediglich zwei bereits bestehende Modelle – Nebenjob und Hobby – zusammenführt.

Sie nimmt dem so getakteten Menschen durch das Fehlen wirklich neuartiger Ansätze die Möglichkeit, tatsächlich an der Wirtschaft teilzunehmen und lässt ihn zu einem Teil in seiner Rolle als „untauglich“ zurück. Was fehlt sind Bilder, wie sie beispielsweise Lobo und Friebe anbieten. Dieses Buch und als weitere Empfehlung das ein oder andere Buch von Edward de Bono, der uns das Denken lehrt, scheinen mir hilfreicher als der gut gemeinte, etwas amerikanische Singsang in Shers Buch.

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