Grundformen der Angst von Fritz Riemann
Die Grundformen der Angst von Fritz Riemanns ist ein “must-have”, nicht nur für den Psychotherapeuten, sondern für jeden Menschen, der sich mit sich, seinem Leben und den dazugehörigen Ängsten (ja, sie gehören dazu) auseinandersetzt.
Riemann beschreibt in seinem Buch 4 Grundformen, die er aus der Kosmologie ableitet: Die schizoide Angst, die depressive Angst, die zwanghafte Angst und die hysterische Angst.
Die Schizoide Angst ist die Angst vor Nähe und damit vor Verletzlichkeit. Der schizoide Mensch ist das, was wir als Einzelgänger, Eingenbrödler oder einfach “seltsamen Menschen” beschreiben mögen.
Er scheut den Kontakt mit anderen, weil er ein Zuviel an Nähe nicht verträgt, weil er glaubt, dass er zu viel von sich selbst aufgeben muss, wenn er andere teilhaben lässt an dem, was er tut. Er fürchtet den Verlust der Autonomie.
Der depressive Mensch hingegen trägt die Angst in sich, nicht dazu zu gehören. Und so unternimmt er alles, so zu sein, wie andere ihn haben wollen oder zumindest so, wie er glaubt, dass andere ihn haben wollen. Er scheut die Selbstwerdung vor lauter Angst, “man” könnte ihn nicht mehr mögen, wenn er so ist, wie er ist. Deshalb versucht er möglichst die Meinung der anderen zu vertreten und stellt seine Wünsche und Bedürfnisse in den Hintergrund oder verleugnet sie gänzlich. Diese Angst führt im Extremfall zur Hörigkeit oder auch zum Masochismus, weniger im sexuellen Sinne, als im grundsätzlichen Sinne.
Der zwanghafte Mensch fürchtet die Veränderung. Als letzte große Veränderung sei hier natürlich der Tod genannt. In seiner Angst vor diesen Veränderungen klammert er sich an exakte Systeme mit klaren Regeln. Er strukturiert sich, seinen Alltag, seine Partnerschaft, sein Verhalten – eben alles, was sich strukturieren lässt. Er handelt nach den so gewonnenen Regeln exakt und unnachgiebig. Dies führt bis hin zum pathologischen Zwang.
Der hysterisch-ängstliche Mensch stellt wieder den Konterpart des Zwanghaften dar: er fürchtet sich vor dem Unausweichlichen, dem Notwendigen, dem Beständigen. Alles Dauernde macht ihm Angst und deshalb ist er ständig auf Veränderung aus. So entgeht er Verpflichtungen und schlussendlich auch Verantwortungen. Zu lange Bindungen unterbindet er und springt zur nächsten Aufgabe oder Beziehung.
Alle Menschen haben selbstredend alle vier Ängste in sich, denn, so Riemann, es sind Grundängste, die in jedem Menschen vorkommen. Bestenfalls haben wir eine gesunde und handhabbare Mischung aus diesen Ängsten, bringen uns die Ängste auch voran, motivieren uns, Dinge zu tun, um eben unsere Ängste zu Kaschieren.
Riemanns Buch wurde seit seinem Erscheinen (1961) weit über 800.000 mal verkauft. Riemann beschreibt die Ängste in einer verständlichen Form, bezieht sich auf seine reichhaltige Praxis und gibt einen sehr guten Überblick mit Fallbeispielen, Erwägungen zu den einzelnen Ängsten in Verbindung mit Liebe und Aggression und schließt jeweils mit Beispielen und ergänzenden Betrachtungen.
Prädikat: besonders lesenswert und für Therapie, Beratung und Coaching eine wirkliche Pflichtlektüre.
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