Entmündigung durch Selbermachen
Lässt Du Dich noch vor unseren Karren spannen, oder lebst Du schon? An das Geduze im IKEA-Einkaufsparadies habe ich mich ja schon gewöhnt. Den Kassiererinnen und Kassierern geht es da anders. Duze ich die nämlich, werde ich missmutig angeschaut. „Das Du,“ so heißt es, „sei doch nur in der Werbung.“ Achso! Dann darf ich wohl die HR3-Macher auch nicht duzen, obwohl sie es umgekehrt tun?! Aber gut, darum solls ja gar nicht gehen.
Nicht, dass ich ein ausgemachter IKEA-Fan wäre, aber hin und wieder steh ich eben im Möbel-Kaufland und schaue mich um. Seit einiger Zeit wird mir ja nicht nur das Einkaufen, sondern auch das Bezahlen leicht gemacht. Unter gestrenger Aufsicht eines IKEA-Mitarbeiters werde ich zu eben einem solchen, denn ich darf nun das tun, was bisher nur ausgebildeten Menschen vorenthalten war: Ich darf kassieren. Jawoll. Also stehe ich da, freue mich (noch), dass es schneller geht, lasse die Seitenblicke des IKEAners über mich ergehen und scanne brav all meine Produkte ein, die jetzt vermutlich noch einen Deut teurer sind, weil IKEA genau berechnet hat, wie viel Artikel an dieser Kasse mal eben nicht eingescannt werden.
Und doch fehlt mir irgendwie das freundliche Lächeln der Kassierer, wenn es das denn je gab, und das an dieser Kasse durch den argwöhnischen, in Hilfsbereitschaft gekleideten Blick der Aufseher gewichen ist.
Ortswechsel, Ebay. Das ein oder andere verkaufe ich hier, teils auch in eigenem Shop. Das gefällt den Kunden, das gefällt mir und das sollte Ebay auch gefallen. Tut es aber nicht. Das sagt Ebay natürlich nicht so offen. Vielmehr wird es in oberflächlich gesehen nette E-Mails verpackt: „Hey, wir wollen doch unsere Kunden nicht enttäuschen und wir wollen immer besser werden. Und deshalb wollen wir dir anbieten, mit uns besser zu werden, in dem du Deine Lieferzeiten noch etwas verkürzt, Deine Versandkosten weglässt und Deine Bilder riesengroß machst, sodass auch noch jeder kleine Fitzel des Buches, das Du verkaufen möchtest, gesehen werden kann. Und, hey, wenn Du das nicht tust, dann bist Du leider kein Premiumverkäufer mehr. Also, wir haben Dir vielmehr dieses Status schon mal aberkannt, weil da fehlen auch ein paar Cent zu dem von uns festgelegten Mindestabsatz. Wie Du diese paar Cent aber wieder gewinnen kannst, das verraten wir dir in einem Webinar, an dem Du kostenlos teilnehmen kannst, ääähhhh sollst, ääähhh musst!“
„Fick Dich, Ebay!“ Will ich da rufen. „Du hast mit mir einen wirklich guten Umsatz, und wenn meinen Kunden meine Geschäftspolitik nicht gefällt, dann sagen die mir das. Das mag bei euch Amiköppen nicht funktionieren, weil ihr einfach auch nur hohl seid, aber bei uns Europäern funktioniert das recht gut!“ Ebay interessiert’s nicht und es lächelt amerikanisch gekonnt zurück, schickt mir also weiter enervierende E-Mails mit tollen Bildern, Anleitungen und Webinarangeboten. Killing with a smile. Ob die das im Irak genauso gemacht haben? Vermutlich.
Also weiter zu Youtube. Vom Tellerwäscher zum Millionär. Einfach ein gutes Video drehen, einstellen und monetarisieren. Doch, Moment mal. Ist das überhaupt mein Video? Darf ich das verwenden? Berechtigte Frage, denn wenn nicht, dann wird schon irgendein Abmahnanwalt auf mich zukommen und mir freundlich aber bestimmt mitteilen, dass er Geld von mir möchte. Freundlicherweise aber übernimmt Youtube das und fragt – natürlich – freundlich nach, ob ich denn auch der Rechteinhaber dieses Videos bin. Bin ich, vertraglich festgelegt sogar. Aber das muss Youtube ja nicht interessieren. Schreibe ich also, dass es da einen Vertrag gibt und Youtube interessiert‘ s aber eben doch. Schreibt Youtube zurück, finden sie alles Klasse, aber aus meinen Angaben, sorry, da könne man ja nun nix Gescheites deuten. Immerhin, zwei Wochen Zeit habe ich die Hosen runter zu lassen und Youtube Veträge zukommen zu lassen, die belegen, dass ich nicht lüge.
„Fick Dich, Youtube!“ rufe ich laut raus. Wobei Youtube hier sogar einen Namen hat. Mari heißt die gute und ich vermute, dass Mari in Wirklichkeit George Watson oder so heißt, Jurist ist, und den Text dazu verfasst hat. Aber so sind sie die Amis. Mari hört sich nett an und macht selbst mit ner Pumpgun (im Irak?) in der Hand noch einen sweeten Eindruck.
Was ja einst so vielversprechend begann – sei kreativ und verdiene dein Geld damit – mausert sich eher schnell als langsam zu einem streng hierarchischen Abhängigkeitsverhältnis, wie wir es ja schon seit langem aus den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen kennen. Ich für meinen Teil plane jedenfalls den Rückzug aus dieser ganzen Tyrannei, habe keine Lust mehr, mir vom finnischen oder amerikanischen Bruder erklären zu lassen, wie ich mein Geschäft zu führen oder zu bezahlen habe.
Mag sein, dass die eigene Webseite weniger Umsatz bringt als der „Millionenmarkt“ Youtube, Ebay & Co, mag sein, dass der lokale Händler etwas teurer ist, als der schwedische Möbelbauer, aber dafür lassen sie mir meine Würde und behandeln mich einfach wie einen Menschen. Wenn das der Preis für ein kleines Stückchen Freiheit ist: „drei, zwei, eins – MEINS!“
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