Rede im Römer zum CSD 2015

Wann hatten sie das letzte Mal Geschlechtsverkehr? Und was haben Sie gemacht, mal was neue probiert, Oralverkehr, Analverkehr oder klassisch. War ihr Gegenüber ein Mann oder eine Frau oder mögen Sie beim Sex lieber Trans- oder Intermenschen, haben Sie sonst einen Fetisch? Leder, Latex, Damenwäsche?

Reflektieren Sie mal kurz, wie Sie sich eben so ganz spontan gefühlt haben. Belustigt vielleicht oder gar beschämt? Und dann wissen Sie auch schon, worum es in den derzeitigen Debatten geht, sei es in der um den Aufklärungsunterricht in der Schule oder und die der Eheöffnung. Es geht um Liebe, Geschlechtlichkeit und um Sex und schlussendlich darum, dass viele sich dafür nach 400.000 Jahren Menschsein immer noch schämen. Eigentlich grotesk.

Sehr geehrter Herr Stadtrat Majer, vielen Dank für die Einladung. Sehr geehrte Frau Stadträtin Eskandari Grünberg, sehr geehrter Herr Stadtrat Setzepfandt, lieber Christian, danke für Dein Kümmern, sehr geehrte Damen und Herren der CDU-Fraktion Frankfurt am Main und der Grünen im Römer, vielen Dank, dass Sie vor drei Jahren diesen Empfang vorgeschlagen haben, über ihn diskutiert und positiv beschieden haben. Wir wissen, dass ohne Sie dieser Empfang ebenso nicht möglich gewesen wäre.

Liebe Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intermenschen. Seid herzlich willkommen. Ohne Euch, ohne uns, wäre die Welt so viel grauer. Danke, dass ihr den Römer heute so viel bunter macht!

Wir sind „besorgte Homos“ – so zumindest unser diesjähriges Thema. Und dafür gibt es viele Gründe. Und wir sind nicht die einzigen, die besorgt sind. So zum Beispiel die „besorgten Eltern“. Dass wir uns nicht falsch verstehen. Dass Eltern sich Sorgen machen, gehört zu ihrer Fürsorge und ist in Ordnung. Und wir sollten diese Sorge ernst nehmen und reflektieren. Das aber geschieht auf beiden Seiten wohl nicht mehr immer. Und wo Reflexion fehlt, da sind Ressentiments nicht weit.

Tatsächlich will niemand einem Sechsjährigen den Gebrauch von Sexspielzeugen beibringen – das ist eine der Überspitzungen, die in die Diskussion eingebracht werden, sondern vielmehr die Verortung seines Herzens. Dass dazu auch die entsprechende Sexualität gehört, sollte klar sein.

Leider aber wird aus einem wichtigen Thema auf allen Seiten ein Glaubenskrieg entfacht und Sorgen darüber, dass vielleicht auch ihre Kinder bei deren Coming-out zukünftig Probleme haben könnten, machen sich manche besorgten Eltern wohl nicht so sehr. Vielmehr bereitet es Ihnen scheinbar mehr Kopfzerbrechen, dass Sie mit Ihrem Kind plötzlich über Liebe und Respekt (denn nur darum geht es ja) reden müssen.

Damit legen sie aber gerade den Grundstein dafür, dass es homosexuelle Menschen in Zukunft weiterhin nicht leicht haben werden, sich zu äußern. Vielleicht in der Hoffnung, dass Ihre Kinder nicht betroffen sind oder sein werden.

EBENSO macht “MAN” sich Sorgen um die Ehe für alle, ja, nicht nur für Schwule und Lesben, sondern, so tönt’s aus dem Saarland, auch um die zwischen Vater und Sohn oder Frauchen und Tier. Solche Gedanken kann man wohl dann auch wirklich nur im Saarland haben. Sei’s drum.

 

In Wahrheit hat sich über die Diskussion, die scheinbar um die Homo-Ehe geht, aber doch schon längst eine ganz andere, viel tiefgreifendere Debatte gelegt, nämlich die darüber, wie wir alle zukünftig generell zusammenleben wollen und unter welcher Gnaden wir das wollen. Längst diskutieren wir auch über Kirche und Moral und das auf allen Seiten.

Besonders perfides Argument vor allem von einigen Vertreterinnen uind Vertreter der konservativen Parteien ist, dass die Norm, die Mehrheit also, ja die Heterosexualität sei und Demokratie eben auf dem Wunsch der Mehrheit basiere. Abgesehen davon, dass man sich dieses offenbar glasklare Demokratieverständnis in manch anderen Belangen auch wünschte, so vergessen diese Politikerinnen und Politiker, dass es ja eben das Wesen der Diskriminierung ist, sich auf die Norm zu berufen, und es deshalb gerade wichtig ist den Minderheiten DAS Recht zu geben, das eine jede und ein jeder in der Gesellschaft schon längst hat.

Und so kommt es wohl, dass der große Teil des Volkes schon weit voraus ist und sich über das, was da noch so diskutiert wird, wundert. Vielmehr geht es hier ja nicht darum, Neues zu erfinden und gutzuheißen, sondern eine längst gelebte Vielfältigkeit zu erkennen und zu respektieren. Das ist zumindest unser Politikverständnis.

UND: Es geht nicht nur darum, dass homophobe Sprüche nach wie vor und wieder offen skandiert werden dürfen, sondern um die Erkenntnis, dass der Reflex, Schuldige in den üblichen Randgruppen zu suchen, wenn die Zeiten mal unruhig sind, auch nach so vielen Jahren  in Deutschland und weltweit noch lange nicht überwunden ist.

Das geschieht im Übrigen auch in den eigenen, in unseren Reihen! Auch hier haben wir mit Ausgrenzung und mit Diskriminierung zu kämpfen. In dieser Hinsicht jedenfalls sind wir schon mal gleich.

Der Christopher Street Day und alle anderen Pride-Veranstaltungen in Deutschland und weltweit steht deshalb „nur“ vordergründig für die Rechte der Lesben, der Schwulen, der Bisexuellen, Trans- und Intermenschen. Tatsächlich steht er vor allem für das Maß an Respekt, das wir bereit sind, Menschen entgegenzubringen.

Dass der Christopher Street Day, und damit komme ich zur dritten Sorge,  in Frankfurt keine Selbstverständlichkeit ist, das haben wir im vergangenen Jahr gemerkt, als wir mit einem Defizit schließen mussten.

Das Team des CSD ist an seinen Grenzen angelangt, personell wie finanziell und Aufrufe in der Community zeigen, dass da zwar gerne genommen, aber nicht ganz so gerne gegeben wird. Ohne diesen Austausch aber werden wir nicht mehr allzu lange den Luxus eines CSDs dieses Ausmaßes genießen können.

Und so sende ich von dieser Stelle auch das Signal an die Stadt Frankfurt, gemeinsam mit uns zu diskutieren, ob und in welchem Umfang ein CSD weiterhin gewünscht und vor allem, was er ihr Wert ist. Und hier dürfen wir dann nicht nur über Ideelles sprechen.

Wir selbst arbeiten an neuen, auch günstigeren Konzepten, sind uns aber auch darüber im Klaren, dass es Präsenz und Strahlkraft braucht, um gehört und gesehen zu werden. Viele sagen, dass dieses Schrille und Laute die derzeitige Diskussion über die Eheöffnung und den Aufklärungsunterricht behindere, dass wir deshalb nicht ernst genommen würden. Wir meinen, dass es ohne das Schrille und ohne die Lautstärke diese Diskussionen erst gar nicht gegeben hätte, weil man uns schlicht nicht wahrgenommen hätte. Und deshalb wollen wir auch weiterhin Frankfurt bunter machen und damit dokumentieren, dass wir in einer welt- und kulturoffenen Stadt leben.

Das wird das Projekt der nächsten Jahre sein und wir laden sie, verehrte Vertreterinnen und Vertreter der Stadt Frankfurt und Sie und euch, liebe Community, dazu ein.

Außerdem laden wir sie nach diesem Empfang zu einem Zusammenkommen im Westin Grand Hotel ein, um vielleicht die ein oder andere Idee schon auszutauschen, sicher aber um das für einen kurzen Moment gemeinsam zu erleben, was in dieser Welt generell abhandenzukommen scheint: Gemeinschaft und Solidarität. Auch dafür stehen wir ein.

Zu guter Letzt mag ich daran erinnern, dass wir – Vereine, Verbände, Gruppen und Parteien  – ab heute für die kommenden vier Wochen unsere ganze Vielfalt während der Prideweeks zeigen! Ich wünsche allen einen schönen CSD

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