Rede im Römer zum CSD 2016

Sehr geehrter Herr Stadtrat Majer, vielen Dank für die erneute Einladung zum Christopher Street Day in Frankfurt hier in den Römer

sehr geehrte Damen und Herren, liebe Community!

Wenn ich mich alleine in der LSBTI*-Community umschaue, dann stelle ich fest, wie farbenfroh, wie vielfältig, wie unterschiedlich die Natur so ist, denn, ja, es ist Natur. Was denn sonst?

Und, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob diese Worte hier so erwünscht sind, so will ich doch auch mal feststellen, dass wir in einem Land leben, in dem es heute schon möglich ist, all dies weitestgehend auszuleben und auszudrücken, bei allen wahl- und parteitaktischen Bauchschmerzen, die es so gibt. Und das, was es noch zu bearbeiten gilt, da bin ich mir sicher, wird nur noch eine Frage einer sicher auch nicht mehr allzu langen Zeit sein. Aus Politik und auch Gesellschaft, auch das nehme ich so wahr, haben wir LGBTI’s eine Unterstützung, wie wir sie uns vor vielen Jahren nicht hätten träumen lassen.

Warum ich das sage? Weil es unser aller Verdienst ist. Deshalb sind wir doch hier! Das zu negieren bedeutet, unsere Leistung zu negieren. Bei allem, was noch zu tun ist!

Sie, meine Damen und Herren aus dem bald neugewählten Stadtparlament, haben sich, wie ich lesen konnte, auch das ein oder andere auf die Fahne geschrieben. Ihrem Koalitionsvertrag kann ich entnehmen, dass Sie die Frauenrechte weiter stärken werden und einen Gleichstellungsaktionsplan erarbeiten wollen. Ich wundere mich immer noch, dass wir 2016 in Deutschland darüber reden müssen, dass Frauen und Männer nicht gleichgestellt sind. So gesehen ist es ein Skandal. Also nur zu!

Die AIDS-Hilfe soll finanziell gestärkt werden. Das ist notwendig, denn die AIDS-Hilfe leistet einen wichtigen Beitrag zur Frankfurter Szene, sie bietet gerade denen, die unter anderem durch HIV vor allem sozial benachteiligt sind, einen Anlaufpunkt und ein sinnvolles Leben. Bitte unterschätzen Sie das nicht bei der Planung Ihres Haushaltes. Und auch der CSD soll berücksichtigt werden. Wir sind gespannt.

Alles in allem ist eine Investition in all diese Bereiche vor allem eine Investition in Menschen, in Gemeinschaft und in Kultur. Gehen Sie davon aus, dass jedwede Unterstützung bei uns, wie im Übrigen bei allen anderen kulturellen und gesundheitlichen Einrichtungen, gleich welcher sexuellen Identität oder Orientierung, gut aufgehoben sein werden.

Uns treibt in diesem Jahr allerdings noch etwas um, etwas, das wir genauso wichtig, wenn nicht wichtiger, weil viel grundlegender finden. Es ist der Ruck nach rechts, der sich aller Orten mit teils absurden Blüten ausbreitet.

Wäre es nicht so ernst, man müsste darüber lachen,

dass Parteimitglieder fordern, Homosexuelle zu zählen und zu registrieren (Corinna Herold im Thüringer Landtag 10/2015),

wenn sie Gefängnisstrafen für Homosexuelle, wie sie in manchen Ländern üblich sind, gut finden (Andreas Gehlmann 06/2016 Thüringischer Landtag),

wenn sie fordern, dass ‚tabuisiert sein soll, wer Homosexualität offen auslebt‘ (selbiger zu seiner Verteidigung)

oder gar einer Landesregierung, die Wert auf eine vielfältige Gesellschaft legt, vorgeworfen wird, dass die “penetrante Betonung auf bunte Vielfalt” die “bewusste Abkehr vom eigenen Volk” sei (Uwe Jung, Rheinland Pfalz 06/2016).

All dies trägt zum schon immer bestehenden täglichen Rassismus bei und wir müssen aufpassen, dass es uns nicht ergeht, wie dem Frosch, den man in kaltes Wasser setzt, dass man von da an stets erwärmt. Er bemerkt die immer stärker werdende Hitze erst, wenn es zu spät ist.

Ich will betonen, dass es nicht darum geht, stets und alle Bedenken der Menschen, die mit unseren Forderungen nicht klarkommen, als homophob zu bezeichnen. Einigung  kann nur im Dialog passieren.  Bewusste Zeichensetzung gegen Humanismus jedweder Art aber lehnen wir strikt ab und sehen wir auch nicht mehr als legitime freie Meinungsäußerung an.  Hetze macht nicht frei!

Der CSD Frankfurt hat für dieses Jahr den Rechtsruck in der deutschen, europäischen und weltweiten Politiklandschaft und auch der gesamten Gesellschaft als Thema aufgegriffen. Zum Thema selbst ist im Grunde bereits alles gesagt, Argumente sind ausgetauscht und kaum jemand wird glauben, in der Szene gäbe es Menschen, die das nicht so sehen. Umso mehr haben wir uns gefragt, wie wir das Thema angehen und wie wir wahrgenommen werden können.

Wir wollten mit einer Hitler-Persiflage der Frankfurter Klasse, verbunden mit dem Logo-Schriftzug „Lieb Geil“, der in einer Frakturschrift gehalten wurde, satirisch deutlich machen, dass wir einem Rechtsruck entgegensteuern müssen, der unter Umständen die gesamte queere Politik der letzten Jahre ad absurdum führen kann.

Einige Gruppierungen wiesen uns jedoch sehr nachdrücklich auf die Schwierigkeit der Darstellung hin und riefen zum breiten Boykott des CSD auf. Auch LSBTI*-Gruppen  sahen darin eine unangemessene Symbolik und massive Verletzung der Opfer der NS-Diktatur und zogen ihre Teilnahme zurück. Schließlich wurden wir auch aus eigenen Reihen als NAZIS beschimpft und bekamen Androhungen massiver Gegendemonstrationen. Dies alles haben wir über eine Woche getragen und ertragen.

Wir haben während des gesamten Prozesses mit verschiedenen BeraterInnen aus verschiedensten auch wissenschaftlichen Richtungen gesprochen, haben natürlich auch Betroffene um Rat gebeten.

Schließlich sind wir nach reiflicher Überlegung zu der Entscheidung gekommen, die Darstellung unseres Anliegens in „Liebe gegen Rechts!“  Umzuändern und auf die Persiflage zu verzichten, denn die Gefahren, die von den teils ernstzunehmenden Drohungen, auch von LSBTI*-Gruppen ausgingen, waren für uns nicht mehr einschätzbar. Und natürlich tun wir dies auch aus Respekt vor denen, die sich deutlich bedroht fühlten durch die Darstellung der Aktion. Das wollen wir auf einem CSD nicht riskieren.

Wir wollen trotzdem betonen, dass wir es, wie viele andere Befürworter der ursprünglichen Darstellung im Übrigen auch, nach wie vor für notwendig halten, ein Thema provokant darzustellen. Viele Mottos verpuffen schnell, wenn sie überhaupt wahrgenommen werden, weil sie sich eben in ein Einerlei einreihen. Das bedeutet nicht, dass alles erlaubt sein muss, was Aufmerksamkeit anzieht, es bedeutet aber, dass man durchaus Reibungen ertragen sollte, wenn es dem eigentlichen Ansinnen dient. Das ist ein Preis, den zu zahlen sich meines Erachtens lohnt.

Zukünftig werden wir die Erarbeitung eines Mottos in die Hände der Community geben, so dass es ein Motto mit breiter Zustimmung werden kann. Wir sind gespannt.

Derzeit wird nun eine breite Diskussion um das Thema, um Aufarbeitung und Konsequenzen rechter Politik geführt. In diesem Zusammenhang haben wir übrigens auch Aufforderungen bekommen, wir mögen neben den rechten Tendenzen auch gegen die islamischen demonstrieren.

Wir stellen fest: Es gibt Ängste in der Community, Ängste, die wir nicht teilen, aber die wir nun deutlich sehen. Und so unangenehm dieses Thema ist, es zeigt uns, dass wir daran arbeiten müssen, auch innerhalb unserer Community. Die Ängste sind da und wir dürfen die Augen nicht verschließen, nur weil sie mal brennen und wir dürfen nicht gegen uns selbst kämpfen. Das ist nicht gut.

Besonders innerhalb einer Community wie der unseren, die auf ein geschlossenes Auftreten angewiesen ist, müssen wir sorgfältiger miteinander umgehen, auch wenn mal was nicht passt. Wir müssen bestimmte Regeln der Kommunikation einhalten, denn sonst kommunizieren wir irgendwann gar nicht mehr.

Leider ist auch zu befürchten, dass all diese Diskussionen genauso schnell wieder abebben wie sie aufgebrandet sind. Es liegt nun an uns allen, dieses Thema aufrechtzuerhalten, bevor es uns einholt!

Nun fordern wir alle Gruppierungen auf, die teils erstmalig mit uns in eine Diskussion eingetreten sind, sich in einer großen Zahl an der friedlichen Demonstration des Christopher Street Days am Samstag, dem 16. Juli 2016 ab 12 Uhr auf dem Römer teilzunehmen – um gegen Rechts einzutreten!

Ich möchte auch allen danken, die uns in diesen wahrlich turbulenten Zeiten seelisch und moralisch unterstützt haben, mal angerufen, mal geschrieben haben und zwar ungeachtet dessen, wie sie das alles fanden. Und außerdem hat unser gesamtes Orgateam Stärke und Zusammenhalt bewiesen, dass es bei allem Ungemach eine Freude war, das gemeinsam zu bestehen!

Und zu guter Letzt die Worte eines wahrlich großen Diktators:

„Die Gewalttäter sind zur Macht gekommen, weil sie euch diese Dinge versprochen haben. Doch sie lügen! Sie halten ihre Versprechungen nicht. Sie werden das nie tun! Diktatoren befreien sich selbst, aber sie versklaven das Volk. Lasst uns nun dafür kämpfen, die Welt zu befreien – die nationalen Schranken niederzureißen – die Gier, den Hass und die Intoleranz beiseite zu werfen. Lasst uns kämpfen für eine Welt der Vernunft – eine Welt, in der Wissenschaft und Fortschritt zu unser aller Glück führen sollen.“

Danke Charlie Chaplin – Es lebe die Liebe

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