Wir sind, was ihr sein werdet – tot
Viel wurde seit ihres Bestehens über sie gesagt, viel Gutes und vor allem viel Schlechtes. Leichen sollen aus Drittweltländern hergeschleppt worden sein, um sie auszuweiden, auszustopfen und schließlich für viel Geld in Form einer Ausstellung um die Erde zu schicken. Ganz normaler Alltag eben für jemanden, der etwas macht, was vor ihm noch keiner gemacht hat – wenigstens nicht in dieser Form.
Aber Gunther von Hagens hats, vielleicht DDR-erprobt, ausgestanden und sich nicht beirren lassen.
Vor einem Monat hätte es mich noch nicht interessiert, aber da habe ich ja auch noch nicht entschieden, mir die Körperwelten jetzt doch mal anzuschauen, nicht zuletzt, weil ich gerade an einer Skriptreihe für Heilpraktiker arbeite und alleine deshalb das ein oder andere genauer wissen wollte.
Erstmal: Es ist eine wunderschöne Ausstellung, ja, wunderschön. Die Plastinate haben nicht, aber auch so garnichts, von B-Spallter, runterhängenden Fleischfetzen und unangenehm riechenden Dingern, die irgendwie dastehen und einem nur das Gruseln lehren. Sicher, Geschmacksache und sicher: so hat sich das auch keiner vorgestellt.
Und trotzdem stellt sich die Frage, wieso sich die meisten Menschen mit dem Innenleben Ihres Gebrauchtwagens, Kühlschranks, ihrer Waschmaschine oder ihres Elektrorasierers um Längen besser auskennen, als mit dem ihres eigenen Körpers.
Gunther von Hagens und seine Mitarbeiter zeigen uns genau dies und zwar in den alltäglichsten und unalltäglichsten Stellungen, beim Sprung über die Hochsprunglatte, über den Gartenzaun, beim Tangotanzen, beim Rugby-spielen und sogar beim Geschlechtsakt – hier abgesperrt für alle unter 16-Jährige, die aber in Begleitung Ihrer Eltern dann doch reinschauen dürfen.
Wie die Ausstellung mit den Mimiken der Plastinate spielt, ist grandios und vermittelt einen Eindruck großer Schönheit, die sich unter unserer Haut verbirgt. Gerade die nicht-vorhandene Haut samt darunter liegender Fettschicht zeigt, wie schön der menschliche Körper ist, zu was er fähig ist, wie wir ihn gesund halten und wie wir ihn krank machen können.
Und die Ausstellung zeigt noch viel mehr. Sie zeigt uns allen nämlich, dass wir, wie alles auf dieser Welt und in diesem Universum einem Zyklus unterworfen ist, der da „stirb und werde“ heißt. Sie zeigt, dass unser Körper eine klare Zerfallszeit hat, mal mehr, mal weniger, aber nicht aufzuhalten.
Sie zeigt, dass wir mit jedem Atemzug auf den Tod zusteuern und, wie von Hagens es so schön ausdrückt, dass es nicht der Tod ist, sondern das Leben, das die große Ausnahme darstellt. Er vermittelt, dass es das Leben in seiner kurzen Zeit zu beachten und zu nutzen, zu mögen und zu leben gilt. Denn der Tod, nach allem was wir uns so vorstellen können, nimmt unter Umständen eine wesentlich längere Dauer für sich in Anspruch.
Egal jedoch wie alt wir sind, wie faltig unsere Haut, wie mürbe unsere Knochen und träge unser Gehirn wird. Unter dieser Haut bleiben wir das, was wir immer waren: Menschen, die es weitestgehend selbst in der Hand haben, aus dem bisschen Leben, das ihnen geschenkt wird, etwas Wahres, Gutes und Schönes zu machen, den Körper so zu pflegen, dass er lange und vor allem gut funktioniert.
Am Ende jedoch steht eines fest, um es nochmal mit den Schlussworten der Ausstellung zu formulieren:
Wir waren, was ihr seid, lebendig
Wir sind, was ihr sein werdet, tot
ihr könnt werden, was wir sind: ein Plastinat.
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