Liebe Angst

Angst – Da ist sie wieder. Angst – vor der Zukunft (ist die Rente sicher und wie werde ich im Alter mit wenig Geld dem Tod entgegensehen?) und vor der Vergangenheit (hätte ich doch dieses oder jenes getan, oder auch nicht). Die Gegenwart? Nein, vor der hat nur Angst, wer sich gerade in der Zukunft oder der Vergangenheit befindet. Siehe oben.

Angst ist einfach zu einträglich, als von ihr lassen zu können. Sie verkauft Dinge aller Art. Kein Mensch würde sich das x-te Smartphone kaufen, hätte er nicht Angst, ein altes Gerät zu haben und/oder total out zu sein. Niemand würde eine weitere Hose kaufen, obwohl er zehn davon im Kleiderschrank hat, hätte sie nicht Angst, aus der Mode zu fallen. Rürup-Rente? Kein Ding. Warum sein Geld aus dem Fenster schmeißen, gäbe es da die Angst vor der Altersarmut nicht.

Und die Angst wird von den Regierungen ja auch nicht gerade zerstreut – im Gegenteil: Sie scheint Teil des Konzeptes zu sein, denn wer Angst hat, hat keine Wahl und wählt was da ist, oder lässt es eben ganz bleiben. Beides gut.

Aber, wie wäre es, einen Moment ohne Angst zu erleben, keine Angst, dass dies oder jenes nicht klappt, schiefgeht, zu viel Geld kostet, etwas passiert, jemand zu Schaden kommt, Krankheit eintritt,  ich versage, etwas nicht weiß, ausgelacht werde, denunziert werde, gekündigt werde, verarme, spätestens im Alter dahin vegetiere, allein, einsam, verlassen. Angst eben.

Wenn das, so denke ich mir dann, nicht wäre, dann würde ich ganz anders auf Menschen zugehen, würde die Dinge, die ich gerne mache, mit Freude machen, würde Dinge, die ich gerne machen möchte, überhaupt erst mal beginnen, würde mehr lachen, die anderen sie selbst sein lassen, mich für die freuen, die Kontrolle aufgeben, Dinge laufen lassen und schauen, was passiert, mich darüber freuen, mich darüber ärgern, es nächstes Mal wieder genauso machen, weil es gleich gültig ist.

Weil dieses Laufen lassen eben der natürlichste Weg ist, das Leben geschehen  zu lassen, statt es ständig zu beäugen, zu schauen, was passiert, zu lenken, in die Richtung des Verstandes, weg vom Herzen, mich wundernd, warum es einfach nicht klappen will, keine Angst zu haben.

Angst, ich will ehrlich zu Dir sein: Ich mag nicht mehr!

Ich weiß, dass ich Dich in mein Leben eingeladen habe, Dir zunächst nur ein kleines Zimmer in meinem Haus zugesprochen habe und später, weil ich dachte, Du wärst mir ein guter Freund, gestattet habe, die anderen Zimmer mitzubenutzen. Dann habe ich Dich sogar in meine Küche und in mein Bett gelassen und mit Dir das ein oder andere unternommen. Nun bist Du also auch in meiner Freizeit ständiger Begleiter, in Urlauben, zuhause auf der Couch, einfach überall.

Es ist gar nicht so einfach, Dir auf die Schliche zu kommen, denn Du kannst ja auch ganz anders. Tagträume auf die innere Leinwand werfen, die das pralle Leben versprechen, wenn Du es mal übertrieben hast. Ja, in solchen Dingen bist Du auch gut. Aber niemals zu viel des Guten, man könnte sich ja dran gewöhnen, nicht wahr?!

Ehrlich gesagt, an Deiner Stelle hätte ich das selbe gemacht, denn immerhin kannst Du alleine ja nicht überleben, brauchst immer einen Wirt, jemanden, der dich zu brauchen glaubt, sich von Dir einschüchtern lässt. Jetzt kontrollierst Du, was ich esse und trinke, gestehst mir mehr Rausch zu, als mir gut tut, bestimmst mein Sex- und Liebesleben, die Auswahl meiner Freunde, meiner Beziehungen, meiner Arbeit, einfach alles.

Und wenn ich es dann doch einmal schaffe, Deinen Fängen zu entkommen, dann schickst Du einen Deiner anderen Sklaven, der mir Schuldgefühle einreden soll, in Deinem Namen, doch nahezu unbemerkt und subtil plausibel.

Die anderen wissen freilich nicht, dass es gar nicht sie sind, die da zu mir sprechen. Sie sind wie Handpuppen, die Deiner Regie unterliegen, und tun so, als wären sie es, die mir das bisschen gute Laune verderben wollen, natürlich nur, weil sie es gut meinen, weil Du es gut meinst und, anders als sie, gut machst. So jagst Du uns ständig vor Dir her, aufeinander zu, mit Schuld und Angst. Damit bewegst du Berge, im wahrsten Sinne. Nicht mal die Putins und Obamas dieser Welt verschonst Du und schleichst Dich sogar, ganz ungeniert, in alle Religionen ein. Du hast es bis in die höchsten Gremien dieser Welt geschafft. Chapeau!

Doch nun kündige ich Dir die Freundschaft, das Vertrauen – ich mag dich nicht mehr.

Nein, es ist nicht so, dass ich Dich hasse. Unsere Beziehung wird mir einfach fad. Ich bin es leid, Dich überall hin mitzunehmen, Menschen deinetwegen aus meinem Leben auszuschließen oder nur solche in mein Leben zu lassen, die ebenfalls gut mit Dir befreundet sind.

Du willst mich ganz für Dich und das will ich nicht mehr. Ich gehorche Deiner  Tyrannei nicht mehr, Deinem Gejammer und Gemecker, das Du ganz nach Deinem Belieben durch meinen Verstand jagst und mir weismachen willst, dass ich das bin, der das Leben so abscheulich findet.

Ich mag anderen Menschen keine Vorwürfe mehr machen, nur weil Du mal wieder glaubst,  zu kurz zu kommen und ich mag dieses Leben nun endlich auf eigenen Füßen Leben, wild und gefährlich. Ich lasse mir von Dir im übrigen auch nicht mehr einreden, dass es schwer sei, ohne Dich zu leben – wieder eine von Deinen unsinnigen Geschichten, die Du parat hast, wenn ich mich von Dir abwende.

In Wahrheit ist Deine Angst, mich zu verlieren viel größer, als meine, Dich ziehen zu lassen. Also:

Leb‘ wohl, wo immer Du willst, aber klopfe nicht mehr an meine Tür – Ich stehe nicht mehr zur Verfügung!

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